Tiger im Baum

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Es saß in unsrem Buchenbaum
goldschwarz gestreift ein Tiger.
Wie er dort hinkam, weiß man kaum,
war’s doch für ihn ein fremder Raum,
zumal er auch kein Flieger.

Der Kauz, aus seinem Schlaf geschreckt,
erwachte in der Höhle,
sah, wie die Katze Zähne bleckt‘,
sich auf dem Aste dehnte,streckt‘,
verkniff sich das Genöle.

Das Eichhörnchen jedoch, verdutzt,
vergaß vor Schreck zu springen.
Zum Glück hat Tiger nur gestutzt,
was sich Rotbraunes da so putzt‘,
ihm eine Nuss wollt‘ bringen.

Dazu gesellte sich ein Specht,
der hämmerte sehr munter.
Das war dem Tiger nun nicht recht,
ihm wird vom Lärmen immer schlecht,
drum sprang er flugs hinunter.

Wohin er danach ging alsbald,
das kann ich nicht berichten.
Vielleicht machte am Rhein er Halt,
fuhr mit dem Schiff zum schwarzen Wald
und träumt dort zwischen Fichten.

Ingrid Herta Drewing,2017

Sonntag im Nerotal

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Noch grüßt die Buche hier im Sommergrün,
als hätten wir nicht sechzehnten Oktober,
wo doch der Amberbaum schon zeigt Zinnober
und Eschenblätter goldgelb leuchtend glühn.

Mag sein, dass sie des Schwarzbachs Wasser stärkt,
noch nicht das Laub zu färben und zu lösen.
Vielleicht lässt sie der Hockeyplatz nicht dösen,
wenn sie des Giftgrüns Konkurrenz bemerkt.

Doch auch am Neroberg noch grünen Bäume,
wohl gilt auch hier dem Sommer kein Adieu.
Er tanzt mit Herbst ein sanftes Pas de Deux,
und sie gewähren uns die milden Träume.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Frühlingshauch

Ein leichter Regen, milde Luft lässt sanft
hier trotz des Tages Grau den Frühling ahnen.
Schon grünt’s vom Eis befreit an Baches Ranft,
und leuchtend hisst der Krokus Blütenfahnen.

Das Gänseblümchen zeigt sein Sterngesicht.
Es musste weder Herbst noch Winter weichen,
begrüßt Schneeglöckchen, die in Gruppen dicht
versammelt sind im Park bei Buchen, Eichen.

In Busch und Baum rührt’s sich in Vogelnestern;
sie werden eingerichtet, inspiziert.
Und wo noch Schnee die Wipfel zierte gestern,
thront heut‘ die Amsel singt und jubiliert.

Was jetzt ein Gruß nur, zart uns hier gefällt,
erstrahlt schon bald in Frühlings heller Welt.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Frühherbsttag

Vom Fluss her Morgennebel gleiten
und hüllen ein das stille Land.
Diffus nur kann sich Licht verbreiten,
du siehst es grau vor deiner Hand.

Jedoch am Mittag, welch ein Fest!
In warmem Golde darf erstrahlen
die Landschaft; farbenfroh nun lässt
Frau Sonne Frühherbst Bilder malen.

Da glänzt im Blattgold stolz die Buche,
im Flammenkleid der Amberbaum.
Die Kinder, die Kastanien suchen,
beglückt der kleine, runde Traum.

Der Himmel wölbt sich zart und blau,
beschirmt Septembers milde Welt.
Das Eichhörnchen, das weiß genau,
dass jetzt die Nuss zur Erde fällt.

Am See singt leise in den Weiden
die Sommerzeit ihr Abschiedslied
vom Werden, Wachsen und vom Scheiden.
Ein Silberfädchen tanzend zieht.

© Ingrid Herta Drewing

Im Buchenwald

Ein Flüstern und ein Raunen hier im Wald!
Da zeigt sich Leben unter welkem Laub,
den Blättern, die der Herbstwind kühn geraubt;
von Frost und Schnee verwirkt ist die Gestalt.

Doch kleine Buchen regen sich im Keim
und stoßen durch das braune, welke Dach.
Des Keimes grünes Blatt verlässt das Heim,
die Ecker, wo es lang geschlummert hat.

Und überall drängt Grünes nun zum Licht,
bedeckt hier hoffnungsfroh die karge Erde,
als habe wer ihm zugeflüstert:“ Werde!“
mit einer Stimme voller Zuversicht.

Ich stehe andächtig, erschau die Spur
des Lebens, Wunder Gottes, die Natur.

© Ingrid Herta Drewing