Ernst Lustig

Auch Bruder Lustig, wer wird‘ s meinen,
wenn ihn der Witz nicht mehr besticht,
begegnet mürrisch oft den Seinen
und nimmt sie ernsthaft in die Pflicht.

Da wird nicht mehr gelacht, gelächelt,
denn Ernst ganz den Humor verdrängt,
sogar der Hofhund müde hechelt,
weil man ihn in den Zwinger zwängt.

Nur Maunz, die Katze, sehr geschmeidig,
sucht sich ihr eigenes Revier,
und denkt bei sich: „ Den Burschen meid‘ ich,
so lang es nicht mehr lustig hier!“

© Ingrid Herta Drewing,2017

Das alte LIed

Wer singt hier,hat gesungen
das alte falsche Lied
und hat sich ausbedungen,
dass nun auch noch den Jungen
blauäugig Unheil blüht?

Die Marsch- und Kampfgesänge
nun wieder aufpoliert,
wenn völkisch man die Enge,
die nationalen Zwänge
allseitig postuliert.

Sie wachsen wie die Pilze
auch in Europas Wald,
verflechten sich im Filze;
ihr Populist-Gesülze
kennt Fakten nicht,noch Halt.

Schon mehren die Despoten
die Pfründen, drauf bedacht,
entschlossen auszubooten
die Freiheit der Bedrohten,
zu sichern eigne Macht.

Ach wär’s doch nur Theater,
dies Drama obsolet!
Ein Jago als Berater,
ein Bann on smoky water
doch unsrer Welt nicht steht.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Zur Erinnerung an die Todesopfer an der Berliner Mauer / Klage einer Mutter

Peter Fechter, achtzehn Jahre alt, wurde im August 1962
beim Fluchtversuch über die Mauer in Berlin-Mitte, Zimmerstraße,in der Nähe des Checkpoint Charlie von DDR-Grenzern angeschossen und verblutete auf dem Todesstreifen vor den Augen vieler Menschen.

Klage einer Mutter

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen mir das Weiß der Trauer,
und selbst die Schwäne auf dem See
erinnern mich an jene Mauer,
die tausend Tode für ihn barg.

Die Hoffnung, Freiheit zu gewinnen,
verlockte ihn zu seiner Flucht.
Er war so jung und wollt’ entrinnen
aus jenes engen Zwanges Schlucht,
um neu sein Leben zu beginnen.

Mein müdes Herz, erstarrt im Weh;
noch hör’ ich die geliebte Stimme:
„Wir sehn uns wieder, tschüss, ich geh’,
denk du nur nicht an alles Schlimme,
es wird nicht kommen gar so arg!“

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen nur das Weiß der Trauer,
es singen Schwäne auf dem See
das Lied von jener Todesmauer,
dort wo mit ihm mein Leben starb.

© Ingrid Herta Drewing