Gedanken zum Jahreswechsel

Ein neues Jahr in unsrem Erdenleben,
es rauscht heran; wie schnell das alte schwand,
dem Strome gleich, der fließt, verlässt das Land,
um sich dem großen Meere hinzugeben.

Wir stehen staunend, seh’n den Lauf der Jahre
an uns vorüber gleiten; Freud und Leid
empfinden wir, und langsam löst die Zeit
das Dunkel, webt uns Licht in Herz und Haare.

Es lehrt Erfahrung uns, nun tief zu schauen,
und Flügel tragen uns jetzt ohne Hast.
Wir wissen, dass wir hier nur kurz zu Gast.

Und Wehmut unsre Seele zart erfasst,
auch wenn wir dann, befreit von Angst und Last,
bereit sind, ganz dem Herrgott zu vertrauen.

© Ingrid Herta Drewing

Unbelehrbar ?

Wir, die wir alt, erfahren sind,
erlebten vieles, haben auch erkannt,
des Lebens Honig glänzt hell in den Waben;
uns treibt nun keine Hast mehr über Land.

Versunken in den Traum der alten Lieder,
erfühlen wir so manchen neuen Tag
und fragen uns, warum man immer wieder
die gleichen Fehler wiederholen mag.

Die Lehren, die wir könnten hier verkünden,
sind für die Jungen abgelegte Kleider.
Sie machen ihre eignen Fehler, Sünden
und haben doch wie wir die gleichen Schneider.

So zeigt auch leider der Geschichte Spur,
wie unbelehrbar menschliche Natur.

Ingrid Herta Drewing

Alte Bäume

Es tragen die alten Bäume
in ihrem zerfurchten Gesicht
vergangener Zeiten Träume
von weiten, hellen Räumen
und Tagen in goldenem Licht.

Der flirrenden Sommer Grünen,
das Herbstrot, ein Flammenmeer,
der Schnee auf Winterbühnen,
berauschendes Frühlingssühnen
irrlichtern noch immer umher.

Und manchmal hörst du es raunen,
dann flüstern die Wipfel leise:
„Vergiss deine Hast, die Launen,
erlerne wieder das Staunen,
wir werden den Weg dir weisen!“

Ingrid Herta Drewing