Frühlingsgedanken

Ein zarter Frühlingsklang sich flicht
an diesem Sonnenmorgen
in meine Winters müde Sicht
und singt in Versen;im Gedicht
weiß ich ihn wohl geborgen.

Wie eine Pflanze hin zum Licht
wächst auch mein kleines Leben
aus Traurigkeit in Zuversicht.
Die Kür siegt über falsche Pflicht,
entfernt von eitlem Streben.

© Ingrid Herta Drewing,2014

In der Stille

Nur in der Stille höre ich die Klänge,
die sich in Worten, Versen fügen zum Gedicht,
sich selbst befreiend aus der Prosa Länge.
Gehorchend ihrem Fluss, der Bilder Drängen
erkenn‘ ich ihr poetisches Gesicht.

Als ob mir eine Stimme so verkünde,
hier singend, ihre zarte Melodie;
mir fremd, bekannt, ein sehnsuchtsvolles Finden
von Worten, die ich still verstünde,
die mich beglücken tief in Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Gedichtsaneignung

Die Welt in Klang, Bild und Gefühl begreifen,
berührt von ihrer Vielfalt, Farben, Formen
und in Gedanken ein poetisch‘ Reifen,
das sich bestimmt, wählt seiner Worte Normen.

Und vorgetragen wirkt die Poesie,
von innen nun nach außen sanft gewandt;
in Tönen tanzend, schwingt die Melodie,
die uns im Klang der Sprache ist bekannt.

Par coeur, by heart, wir machen sie uns eigen,
bewahren sie, wenn wir sie tief erschaut,
die Worte im Gedicht sich klingend zeigen,
mit deren Rhythmen, Bildern wir vertraut.

© Ingrid Herta Drewing

Das Schöne

Das Schöne, gleicht ’s dem Leben?
In Macht und Kraft wohl auch,
ist mehr als Nutz’ und Brauch;
doch in den Tod gegeben,
nur flüchtig, zarter Hauch?

Das Schöne überdauert.
Es bleibt in Wort und Bild,
Musik, im Lächeln mild;
ein Klang, der uns erschauert,
dem unser Sehnen gilt.

© Ingrid Herta Drewing

Der Genitiv

Wie einstmals tief Dornröschen schlief,
so tat dies’ auch der Genitiv
im Hort der deutschen Sprache;
da täglich man den Dativ rief,
auch wenn er lag grammatisch schief,
im Textfeld herrschte Brache.

Veraltet sei er, sehr gespreizt,
man so mit dem Realen geiz’,
war manchmal gar zu hören.
Jedoch, wer dichtet, kennt den Reiz,
vom Ostseestrand bis hin zur Schweiz
lässt man sich gern betören.

Ich mag ihn gern, den zweiten Fall.
Er gibt den Versen seinen Drall
und fügt sich ein ins Klingen.
Als Attribut macht er sich gut
und stimuliert der Worte Flut.
Der Genitiv darf singen.

© Ingrid Herta Drewing

Sprache

Ich mag die Sprache, wenn sie deutlich, schlicht
Gegebenheiten wahr und klar uns nennt,
anschaulich schön in Klängen, Bildern spricht,
und nicht versteift, nur das Abstrakte kennt.

Wer gern mit Aufwertwörtern Verse spickt
und glaubt, dies sei poetisches Gestalten,
wird, wenn die Poesie die Blüten pflückt,
Sprachhülsensträuße in den Händen halten.

Nicht dies geschraubte Stelzen schenkt den Sieg.
Was lyrisch ist, beglückt uns auch als Lied.
Die Melodie in ihren Bann uns zieht,
wir sehen fühlend, hören die Musik.

Denn Sprache lebt im Licht der Poesie,
wenn Bild, Gedanke, Klang in Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Reim dich oder ich fress‘ dich!

Malheur

Ein Mensch, entbrannt in heißer Liebe,
entflammt auf Reimen, Versen stand,
hat sich, weil er bei Sehnsuchtsschüben
die rechten Worte nicht mehr fand,
falsch auf den Pegasus gesetzt.
Er stürzte ab. Gedicht verletzt!

Meisenweise

Ein Weiser hörte eine Weise,
die klang ihm zärtlich, lieb und leise
und war vertraut ihm, gut bekannt.
Er hatte sie auf einer Reise
gehört von einer kleinen Meise,
die er vor seinem Fenster fand.

Es war die Meise eine Waise
(die Eltern starben im Geleise,
als ein Schnellzug sie erfasst).
Nun singt die kleine Meisenwaise
ihr Lied im Kreis der weisen Greise,
beim Vogelhaus auf einem Ast.

Untergang

So mancher,
den das Leben ließ viel hoffen,
ist dann,
das macht mich sehr betroffen,
mit ihm im Alkohol ersoffen.

© Ingrid Herta Drewing

Ermunterung

Und hast du auch alles verloren,
dir doch die Erinnerung bleibt,
aus Bildern, die wieder geboren,
das Leben sich schön weiter schreibt.

Auch ist dir die Sprache geblieben.
Vertrauter Klang schenkt dir Licht,
Musik und Lieder; wir lieben
noch immer das zarte Gedicht,

das früher als Kinder wir lernten
und auch manch’ kleines Gebet.
Wenn Zeit uns auch vielem entfernte,
dies traulich für uns noch besteht,
wird nie obsolet.

Ingrid Herta Drewing

Windspiel

Es liest der Wind in meinem Buche
und blättert stürmisch in den Seiten,
als ob er ’was Bestimmtes suche,
das zu ihm passe, ihn begleite.

Da hätte ich ein Sturmgedicht.
Doch er schickt sich nicht an, zu lesen,
klappt zu das Buch, bläst ins Gesicht
mir und zeigt forsch sein wahres Wesen.

Will lieber mit den Dingen spielen,
sie in den Lüften tanzen lassen,
wie Buben wild auf Büchsen zielen,
sie bolzend treten durch die Gassen.

Ansonsten schert den luft’gen Wicht
heut’ hier auf Erden wirklich nichts.

Ingrid Herta Drewing

Selbstgespräch eines Amateurs

Nicht jeder, der reimt, ist ein Dichter.
Nicht alles, was blüht, trägt auch Frucht.
Oft leiten des Traumes Gesichter
und locken in weltliche Flucht.

Da mag sich so mancher betäuben,
säuft süß sich an Worten satt.
Sieht schon der Bienen Bestäuben,
wähnt sich auf Zweig’s grünem Blatt.

So vieles auf Erden ist Spiel,
doch darum nicht weniger gut.
Such’ reinen Herzens dein Ziel,
verliere dabei nicht den Mut!

Dann mag dir vielleicht auch gelingen
das eine, das gute Gedicht,
in welchem das Leben wird singen.
Und mehr will ein Dichter wohl nicht.

Ingrid Herta Drewing