Spielendes Kind

Vertieft ins Spiel und schöne Kinderträume,
lebt es auf seinem kleinen, hellen Stern.
Das Kind, es kennt noch kein Versäumen,
denn vieles, was uns drängt, liegt ihm so fern.

Es sei denn, dass wir es ins Leben hetzen,
mit allen Hürden, die wir aufgebaut;
ihm seine Freiheit durch die Pflicht verkürzen,
weil unsre Zukunftsangst sich aufgestaut.

Lasst ab von allem modischen Gehabe,
das uns Erwachsne seelisch schon entleibt!
Lasst ihm die Phantasie, der Freiheit Gabe,
damit es stark wird, liebend bei sich bleibt!

Entfalten mag es sich wie eine Blüte,
vom warmen Licht begeistert, Blatt für Blatt;
dann findet, in sich ruhend, es die Güte,
die Gott ihm als Natur verliehen hat.

Ingrid Herta Drewing

Das Faultier

Ein Faultier hing an einem Baum,

vertieft in seinen Urwaldtraum,

da kam im Sprung heran ein Affe,

rief:“ He, hast du denn nichts zu schaffen?

Mir scheint, du bist von dem Getier

mit Abstand wohl das faulste hier!“

Das Faultier langsam hob die Lider,

sah an den Affen, schloss sie wieder

und murmelte:“ Lass mich in Ruh,

ich muss nicht wuseln so wie du,

da ich auch sehr genügsam bin!

Ich sag dir meines Lebens Sinn:

In der Ruhe liegt die Kraft.

So mancher wie die Bienen schafft

und kann sein Leben nicht genießen.

Die Zeit wird ihm gar rasch verfließen,

und eh der Schaffer sich versieht,

ist ihm sein Leben schon verblüht.“

Der Affe stand da, staunend, stumm,

und dachte: Das ist gar nicht dumm;

selbst von dem Faultier kann man lernen.

Jetzt werd’ ich mich diskret entfernen.

Ingrid Drewing