Archive for the Category Kindheit

 
 

Kindheits-Sommer

Es streift der Sommer durch die Wiesenwogen,
beschirmt von einem klaren Himmelblau.
Schon früh sind wir zum Wandern losgezogen.
Des Waldes Lichtung schien uns einzuladen,
ein Picknick-Plätzchen an der Luft, die lau.

Hier will ein heller Bach die Wiese säumen,
an dem noch knorrig alte Erlen steh’n.
Ein Bild, romantisch, lädt mich ein zum Träumen.
Dort mag ich mir die Füße kühlen, baden,
sanft spüren auch des Sommerwindes Weh’n.

Da wird die Kindheit wach, Erinnerungen,
wie wir das Wasser eifrig einst gestaut,
im kleinen Teiche planschten ungezwungen,
Indianer spielten wir, an Sees Gestade
ward stolz das „Dorf der Wigwams“ aufgebaut.

Wie schön, dass diese Landschaft blieb erhalten,
den Enkeln noch schenkt Wunder der Natur,
für sie erfahrbar macht des Lebens Spur,
und dass nicht nur ein virtuell’ Gestalten
ein blasses Abbild zeigt, so künstlich fade!

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Schwarzbach

Kind sein

( zum internationalen Kindertag)

Kind sein heute, ist doch schwer.
Oft lässt man ihm kaum den Raum,
wo es spielend, ohne Wehr,
kann erleben seinen Traum.
Wo es geht, Automobile
grenzen ein die kleine Welt,
Luft voll Feinstaub, Abgasschwüle;
sehr oft Husten es befällt.
In den Medien, aufgesetzt
zeigt man ihm ein Kinderbild,
das Erwachsne eingeschätzt,
irreal, falsch, trendy-wild.
Viele Eltern, Angst besessen,
was die Zukunft bringen mag,
sind dabei, fast zu vergessen,
was ein Kind braucht, wirklich mag.
Schon im Kleinkindalter hetzen
sie es, fest verplant die Stunden,
woll’n es an den Rechner setzen,
lassen es nicht ungebunden.
Spielend seine Welt entdecken,
Tiere, Wiesen, Wald und Feld,
sich im hohen Gras verstecken,
laufen, tollen, wie ’s gefällt.
Gebt dem Kind die Kindheit wieder,
mag es seine Wunder sehn.
Liebt es, singt mit ihm die Lieder,
zeigt ihm die Natur, die schön!
© Text : Ingrid Herta Drewing,
© Zeichnung: Ingmar Drewing,

Zeit der Erinnerung

Des warmen Kerzenlichtes Schimmer
und würzig frischer Tannenduft
erfüllen der Adventszeit Zimmer,
ein Hauch von Zimt streift zart die Luft.

Es wecken diese Wohlgerüche
den Zauber längst vergangner Zeit,
als damals wir in Mutters Küche
zum Plätzchen Backen reingeschneit.

So manches Lied ward da gesungen,
gescherzt, gelacht; beim ersten Schnee
in sel’gem Taumel, ungezwungen
die Schlittenfahrt aus steiler Höh’.

Kalt waren Hände, rot die Wangen;
erst abends zogen wir nach Haus,
von Mutter liebevoll empfangen,
erquickt mit einem warmen Schmaus.

Erinnerungen: Fern der Plage,
trotz Nachkriegszeit dies’ Kinderglück,
ein Fest der Freude, Weihnachtstage!
Ich denke gern daran zurück.

© Foto u. Gedicht: Ingrid Herta Drewing,

Hertelchens Geburtstag

Heut dein Geburtstag lässt mich an dich denken.
Ich sehe vor mir oft dein lieb’ Gesicht.
Du konntest so viel Herzensgüte schenken,
mein Hertelchen, und ich vergess’ dich nicht.

So viele Jahre sind ins Land gegangen,
nachdem der Tod mir dich und Mutti nahm,
und noch hält eure Liebe mich umfangen,
die doch so reichlich ich von euch bekam.

Als hätte ich zwei Mütter, ist’s gewesen.
Du warst mir Patin, ich für dich dein Kind;
geschwisterlich habt ihr, ihr lieben Wesen,
gemeinsam jeder Not gewehrt und lind

konnte ich meine Kindheit so erleben.
Ich danke euch für das, was ihr gegeben.

© Ingrid Herta Drewing

Wiesbaden, meine Heimatstadt

Wiesbaden_o

Dort, wo der Rhein sich, westwärts fließend, neigt,
liegst du am rechten Ufer, meine Stadt.
Hast hoch dich hier am Taunushang verzweigt,
wo grüner Mischwald dich geborgen hat.

Du blickst nach Süden, und der Sonne Licht
lässt dich, Wiesbaden, hell und warm erglänzen.
Von Nordens Nizza da so mancher spricht,
die Pracht der Bauten darf dies Bild ergänzen.

Bereits dem alten Rom warst du bekannt;
sie schätzten damals deine heißen Thermen,
die heute noch, als Kochbrunnen benannt,
aus vielen Quellen sprudeln, heilen, wärmen.

Zu Kaiser Wilhelms Zeiten weltberühmt,
locktest du gut Betuchte, hier zu kuren.
Noch immer zeugen Villen unverblümt
von Fin de Siècles Flair, auch Parks und Fluren.

Zwei Kriege lehrten Leid, Not und Verzicht.
Doch Historismus Bauten blieben dir erhalten,
verleihen dir noch immer ein Gesicht,
wo Altes im Modernen zeichnet Falten.

Geboren hier,und nah dem Fluss, den Feldern,
die Kindheit, Jugend schön erlebt, die Stadt,
die frei uns spielen ließ in lichten Wäldern,
auf Pfaden, die Natur gestaltet hat.

Dies alles ist mir heut‘ noch lieb vertraut,
fühl‘ mich hier wohl, zum Wohnen eingeladen.
Bin weit gereist und habe viel erschaut,
doch Heimat bleibst du immer mir, Wiesbaden!

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2017

Hertelchen

Sie trug meist keine Hüte,
nahm mich in sichre Hut,
und ihre Herzensgüte
tat meiner Kindheit Blüte
so gut.

Ja, ihre Wärme,Liebe
nie forderte Verzicht.
Gab mir das Leben Hiebe,
und schien der Himmel trübe,
schenkte sie Licht.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Das alte Karussell

Lebkuchen duften, süßes Glück
die Zuckerwatte, weiß wie Schnee.
Ein Lichtermeer verwöhnt den Blick,
und Sterne funkeln in der Höh‘.

Nostalgisch schön das Karussell
schickt kleine Pferdchen auf die Reise.
Es lässt sich Zeit, dreht sich nicht schnell,
und Lieder klingen lieblich, leise.

Ein Bild aus längst vergangnen Zeiten
ruft mir Erinnerung zurück,
seh‘ mich als Kind dort mutig reiten,
begleitet von der Mutter Blick.

Wie schön, dass manches bleibt erhalten,
webt weiter diesen Kindertraum,
dass nicht nur Digital-Gestalten
wild flimmern unterm Weihnachtsbaum!

© Ingrid Herta Drewing,2014

Kindheit im Nachkriegssommer

Wir spielten in Trümmern und staubigem Licht;
die Straße war unsere Welt,
beim Völkerball auch unser Feld.
Es war da nur selten ein Auto in Sicht;
dazu fehlte ja damals das Geld.

Wir waren noch klein, erlebten die Not
der Eltern aus anderem Blick
und fanden das kindliche Glück.
Doch brachten auch Waffenspiele den Tod,
manch Opfer durch Krieges Relikt.

Die Enge des Wohnraums trieb meist uns hinaus,
doch Freiheit konnten wir fühlen,
auf Wiesen, in Wäldern spielen.
Es hielt uns kein Gameboy, kein TV im Haus,
nichts ließ uns da neidvoll schielen.

Kein Zuckerschlecken, noch üppiger Schmaus!
Der Hunger hieß uns oft warten;
Gemüse aus Opas Garten
und Früchte trugen wir dankbar nach Haus,
ein frugales Mahl zu starten.

Im Sommer gab’s Graubrot, Zwiebeln, Tomaten
mit Salz, das konnt köstlich munden.
An Herzkirschen, prallen, runden,
den selbst gepflückten, wir uns gütlich taten
in unbeschwerten Stunden.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Erinnerung

Wimpernwünsche,
ins Licht gepustet,
Schmetterlingsmärchen.
Der Kindheit Sommer
irrlichtern
in meinen Träumen,
entfliehen
dem Schleier
der Zeit.

© Ingrid Herta Drewing

Das Herder-Lexikon

Heute beim Abstauben der Bücher hielt ich sie wieder einmal in Händen, die drei großen,grünen Bände, „ DER NEUE HERDER“. Wie oft hatten mich meine erwachsenen Kinder schon darum gebeten,ich möge sie endlich entsorgen. Vieles, was darin stehe, sei ohnehin veraltet. Außerdem hätte ich doch den Brockhaus im Regal, zudem gebe es auch noch die Möglichkeit, mich im Internet kundig zu machen.
Aber ich habe es bis zum heutigen Tag nicht übers Herz gebracht, mich von diesem Lexikon zu trennen; zu viele Kindheitserinnerungen verbinde ich damit.

Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich meine Mutter, die eine sehr starke Frau war, weinend im Zimmer sitzen sah. Der Anlass dafür war dieses Lexikon. Mein Vater hatte sich von einem Vertreter, der ihm die Vorzüge dieses Werkes anpries, den Kauf aufschwatzen lassen und die Subskription unterschrieben; allerdings konnte man den Betrag von 150 DM in Raten bezahlen.
Na und, 150 DM, das geht doch, würde man heute locker sagen. Aber mein Vater verdiente im Monat 60 DM. Davon mussten sechs Personen leben.Auch wenn damals die Lebensmittelpreise niedriger waren als heute( fünf Pfennige kostete ein Brötchen) musste meine Mutter schon sehr gut haushalten, um alle mit dem Nötigsten zu versorgen. In der heutigen Wegwerfgesellschaft kann man sich gar nicht vorstellen, wie sparsam man mit den Mitteln umgehen musste.Zum Glück gab es da noch die Naturalien aus Opas Schrebergarten, die Mutter sich aber mit ihren Geschwistern teilte.

Es war für sie nicht leicht, vier heranwachsende Kinder und einen Mann, der körperlich schwer arbeiten musste, zu ernähren.Ich kann mich noch gut daran erinnern,dass mein großer Bruder einmal, als er für die Familie Brot kaufen sollte, auf dem Heimweg fast schon einen ganzen Laib aufgegessen hatte, und wie schlimm es war, wenn man ein paar Tropfen Milch verschüttete, weil man das Milchkännchen, in das die Milch vom Kaufmann schoppenweise eingefüllt wurde,nicht ruhig genug nach Hause getragen hatte.Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist,gab es nicht oder konnte von dem wenigen Geld nicht erstanden werden.

Deshalb freuten wir uns über die Schulspeisung, die es für uns Schüler ab 1952 manchmal gab, warmer Kakao und Kekse.Ansonsten sammelten wir Pilze, Walderdbeeren, Himbeeren,Brombeeren,Heidelbeeren und Fallobst, wenn der Bauer es erlaubte.So klein wir waren, halfen wir doch auch gern bei der Kartoffelernte auf dem Feld bei Bauer Ismar, weil wir dann auch ein paar Kartoffeln mit nach Hause nehmen durften. Aus den Bucheckern, die wir gemeinsam mit Mutter sammelten,konnte man sich in einem Laden in der Bleichstraße Öl pressen lassen, und die leckeren Esskastanien, die wir in den Herbstferien bereits morgens um sechs Uhr „Unter den Eichen„ aufsammelten,waren eine Köstlichkeit.

Ich weiß trotzdem nicht, wie Mutter es schaffte,uns alle über die Runden zu bringen.Ich hatte nie das Gefühl, wirklich zu hungern und denke noch heute daran, wie herzhaft das Tomatenbrot mit Zwiebeln und Salz im Sommer mundete und das Schmalzbrot im Winter, wenn zuvor die Mischbrotscheiben auf dem Kohlenofen in der Wohnküche getoastet worden waren.

Obwohl ich erst acht Jahre alt war, konnte ich den Kummer meiner Mutter gut verstehen, wenn sie sich fragte, wie wir nun auch noch dieses teure Lexikon bezahlen sollten. Vater tröstete sie und sagte, er werde wieder einige Bilder malen und an Herrn Ikstadt verkaufen.

Er malte hinreißend schöne Aquarelle, die von den amerikanischen Soldaten in Ikstadts Geschäft in der Langgasse als Souvenir gekauft wurden. Viel verdiente Vater ja nicht daran. Wie es allen Künstlern früher erging,machte auch hier der Kunsthändler den besseren Schnitt. Aber das Malen an sich bereitete Vater Freude. Wenn er seine gebirgigen Winterlandschaften mit dem Pinsel zum Leben erweckte, malte er, der Heimatvertriebene, sich all seine Sehnsucht nach dem verlorenen Sudetenland von der Seele. Mutter, die mit mir und dem kranken Großvater, der ausgemustert war, während des Krieges und kurz danach alleine lebte, hatte Vater,einen Witwer mit zwei Kindern, im Winter 1946 beim Schreiner Werner kennen gelernt, wo er arbeitete. Werners Frau war eine ihrer Kundinnen.

Wie glücklich war ich, als die beiden heirateten, und ich meine drei Jahre ältere Schwester Renate und den sechs Jahre älteren, großen Bruder Herbert bekam. Als dann 1949 Wölfchen, unser kleines Brüderchen geboren wurde, war unsre Patchwork-Familie, wie man so etwas heute nennt, komplett. Und obwohl das Leben damals nicht immer leicht war, fühlte ich mich in dieser Familie geborgen.

Der Tag im Jahre 1952, an dem das Prachtwerk von einem Lexikon geliefert wurde, ist mir noch recht gut im Gedächtnis.Es wurde vorgeführt, wie es heute manche Leute mit einem neuen Auto machen. Nachdem wir alle die Hände gründlich gewaschen und abgetrocknet hatten,durften wir es uns anschauen.Die Eltern präsentierten uns einen Traum, in Grün eingebunden,Bücher,in denen sich uns ein andere Welt offenbarte.
Wir hatten ja kaum Bücher, da im Krieg fast alles verbrannt war.Ich besaß einen Katechismus mit Zeichnungen, ein Märchenbuch und den Struwwelpeter.Und nun war da dieses Lexikon,das nicht nur vieles erklärte, sondern auch reichlich mit Bildern illustriert war. Besonders beeindruckten mich die Farbtafeln, die den Menschen, seine Muskeln, Knochen und inneren Organe zeigten. Wunderschön erschienen mir auch die farbigen Zeichungen von Tieren und Pflanzen.Während die meisten anderen Familienmitglieder nur in das Buch schauten, wenn sie etwas nachschlagen wollten, las ich von nun an intensiv darin und holte mir so die fremde Welt nach Hause. Und das lag nicht nur an meinem großen Wissensdurst, sondern auch darin, dass mir bewusst geworden war, wie teuer dieses Buch war.
Hier wurde mit der Grundstein für meinen Bildungshunger gelegt, weil ich damals unbewusst erfahren habe, welche Schätze sich in Büchern verbergen.

© Ingrid Herta Drewing