Archive for the Category Vanitas

 
 

Leben

Wir Menschen, Meister im Verdrängen,
hier leben auf dem Weltenrund,
als ob wir ewig Lieder sängen,
von Tod nichts wüssten, uns nicht zwängen
des Lebens Grenzen, letzte Stund‘.

Uns trägt die Phantasie, schenkt Flügel,
verleiht uns Freude, Lebensmut.
Zwar ahnen wir des Todes Hügel,
jedoch wir halten fest die Zügel
und lenken unser Dasein gut.

Und müssen wir das Leben lassen,
dereinst von dieser Erde gehn,
erkennen wir noch im Verblassen,
dass alles, was wir gerne fassen,
geliehen war – und doch so schön.

© Ingrid Herta Drewing

Zu Allerheiligen und Allerseelen

Und nichts ist von Dauer, was wir erkiesen,
alles nimmt hin ohne Mitleid die Zeit,
die Wasser, die tosend zum Meere fließen,
die Pflanzen, die blühend und welkend sprießen.
Uns steht hier vieles nur sehr kurz bereit.

Sogar die Sterne, die himmlisch erglänzen,
sterben von Anbeginn in ihrem Licht.
tragen es dennoch so weit und kredenzen,
weiten uns Menschen die irdischen Grenzen,
ein Himmel voll Hoffnung und Zuversicht.

Zuversicht wächst in vertrauendem Glauben,
dass gütig uns, wenn unser Leben einst fällt,
der Herrgott in seiner Gnade erlaube,
die Seinen zu sein, wenn, fern allem Staube,
geborgen in seiner Hand er uns hält.

© Ingrid Herta Drewing

Herbst-Hoffnung

Nun will der Herbst sein Werk vollenden
mit Feuerlaub und Ernte-Tanz,
schenkt Reife, Frucht mit vollen Händen,
als sollt’ sein Reichtum niemals enden
an Tagen in des Lichtes Glanz.

Sehr bald schon werden Nebel steigen,
verhüllen Garten, Haus und Stadt.
Diffus nur kann sich Sonne zeigen,
und in Alleen wohnt ein Schweigen;
dort kauern dann selbst Krähen matt.

Jedoch du sehnst dich nach dem Leben,
treibt auch die Zeit ihr schnelles Spiel.
Obwohl jetzt Blätter fallen, schweben,
magst du dich hier erneut verweben.
Dir gilt der Herbst noch nicht als Ziel.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Lindenblätter auf nassem Asphalt

Auf dem Asphalt ein Aquarell
aus goldnen Lindenherzen.
Der Regen, der als Herbsts Gesell
die Blätter raubte, war zur Stell,
bereit zu rauen Scherzen.

Doch du setzt sorgsam deinen Schritt,
willst nicht das Bild zerstören.
Als teile dir der Baum hier mit,
dass man sein Herzblatt nicht zertritt,
magst du’s als Bitte hören.

Vielleicht erinnert die Natur
dich an dein endlich‘ Wesen,
und du erhoffst, dass deine Spur
erhalten bleib‘ auch, sei es nur
als Bild, das wer wird lesen.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Trost

Bald hat die Zeit das letzte Blatt gelesen
und klappt das Jahrbuch sodann stürmisch zu.
Die Blätter fallen, welken und verwesen;
und Raureif friert dies‘ Weben ein im Nu.

Ich schreibe mir den Nebel von der Seele,
der uns des Morgens jetzt stets grau empfängt.
Wie gerne sänge ich aus froher Kehle
dies’ Sommerlied, das noch im Herzen drängt.

Ich werde es wohl tief in mir bewahren,
die Glut des Lebensfeuers fest im Blick,
mich wärmend, wenn die Fröste rau hier fahren,
kalt flüstern mir von Ende und Geschick.

Dann schenkt mir dieses frohe Sommer-Bild
ein Licht der Hoffnung, das die Nacht erfüllt.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Vanitas

Wie diese Frucht verderblich,
trotz Lebensglanz im Licht,
sind auch wir Menschen sterblich;
was je erblüht‘, verblich.
Der Tod lehrt uns Verzicht.

Ihn lässt der Spätherbst ahnen,
vernebelt Wald und Flur
und Blätter, Farben-Fahnen,
nun welken, sind ein Mahnen
vergänglicher Natur.

Nichts darf auf Erden bleiben,
kein Wesen ewig sein,
sich Leben einverleiben.
Auch wir nur kurz hier schreiben
ins Irdische uns ein.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Vanitas

Ja, viel Hinlängliches,
das dir den tristen Alltag bestückt,
wird Unzulängliches.
Doch
auch Verfängliches,
das in der Welt mit Liebreiz beglückt,
ist nur Vergängliches.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Frühlingsnacht-Gedanken

An den Sonnenwegen stehen
blasse Lilien; von Vergehen
spricht die kühle Nacht.
Sterne ihren Himmel bleichen,
weite Welten uns erreichen,
Licht, das fern entfacht.

Auch in Träumen dieses Sinnen;
im Versäumen noch beginnen
wir das alte Lied,
immer währendes Verweben
in das wunderbare Leben,
das hier neu erblüht.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Im Novembernebel

So lichtfern dümpelt hin der Tag
im Nebel, der seit vielen Stunden
die Landschaft hält in Grau gebunden.
Kein Sonnenstrahl sich zeigen mag;
Konturen vollends sind verschwunden.

Da drängen dich Gedanken,trübe,
Vergänglichkeit, der Tod, das Leben.
Des Frühlings, Sommers lichtes Weben,
auch Herbtes goldne Farbenschübe,
geliehen nur, uns kurz gegeben.

Und dennoch glaubst du, dass das Licht
dir wiederkehrt, was scheint verborgen,
dich wird befreien von den Sorgen,
wenn es in seiner Klarheit spricht,
und hoffst auf einen neuen Morgen.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Vanitas

Blauregen wirft die Ranken in den Wind,
die Mauer suchend, um sich festzuhalten.
Ob diese Pflanzen doch auch Wesen sind,
viel stiller nur und duldsam im Gestalten?

Vom Werden,Wachsen alles ist durchdrungen
und findet welk auch wieder in den Tod,
nachdem es hell sein Lied im Licht gesungen,
Ergrünen, Blühen, Reifen das Gebot.

Wir, unsren Wurzeln,wie es scheint,entronnen,
wir fühlen hier in dieser Welt uns frei,
da wir mit “ unsrer Schöpfung” selbst begonnen
ein neues Paradies, das irdisch sei.

Jedoch auch unser schönstes Morgenrot
besiegelt hier auf Erden doch der Tod.

© Ingrid Herta Drewing,2013