Archive for the Category Ansichten

 
 

Wortklaubereien

Verstehen setzt voraus Verstand,
und Kenntnisse heißt: vieles kennen.
Das Handeln fordert gute Hand,
beim Namen kann man vieles nennen.

Das Schweigen schenkt die Kraft der Stille.
Verschweigen ist meist’ nicht so gut,
denn oft legt ein besorgter Wille
nur neues Holz auf helle Glut.

Was so verbal scheint nah zu liegen,
ist häufig doch einander fern.
Nicht jeder Flügel dient dem Fliegen,
und auch nicht jeder Star ist Stern.

© Ingrid Herta Drewing

Randbemerkung

Wir halten hier unsre Ängste auf Trab
und lassen uns täglich brüskieren.
Da beißt jede Maus flugs ihr Fädchen ab;
die Katzen sitzen und lachen sich schlapp,
wie leicht ist’s, zu manipulieren!

Da mag der Bürger mal sehr selbstbewusst
in Protest geraten und wählen.
Am Tag danach dann vergeht ihm die Lust
er spürt die Ohnmacht und wieder den Frust,
sucht sich Sündenböcke zum Quälen.

Auch wird das Bild der Eliten bemüht,
die weise entscheiden, regieren,
das Märchen erzählt vom „Schland“, das erblüht.
Doch wenn der Mensch dort die Tafeln sieht,
bemerkt er, wie viele verlieren.

Der Hochmut will immer höher hinaus.
Es wachsen die steinreichen Kasten,
bilden sich weltweit als Krebsgeschwür aus,
zerstören der Ärmsten Hütte und Haus,
deren Leben mit Krieg sie belasten.

Du magst da vielleicht an Sintfluten denken,
glaubst fest gar an ein Erneuern der Welt.
Jedoch wird der Reiche als Noah lenken,
sich selbst nur den Bunker, die Arche schenken,
dieweil alles Andre ertrinkt, stirbt und fällt!

© Ingrid Herta Drewing,2016

Ataraxia

Gelassenheit magst du es nennen,
dein Blick zurück,
der goldene Stunden sieht
und verklärt hier im Abendschein.

Gezähmt auch jenes Aufbegehren,
hast resigniert,
zu oft die Wunden geleckt,
im Bann der Sisyphus-Bilder.

Das Leid, verblasst,
getrocknete Apfelringe,
von Schokolade umhüllt
im Glas der Erinnerungen.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Reimlob

Warum die Form zerbrechen,
als sei sie Teil der Schuld,
der Hoffart, Ungeduld,
der manche sich erfrechen?

Gestalt hat alles Leben
wohl hier seit Anbeginn;
das Wachsen nimmt sein Streben
natürlich formend hin.

So mag ich Verse binden.
Gemeinsam, sagt der Reim,
wird sich hier klingend finden,
was brüchig, aus dem Leim.

Denn heilend, nicht zerstörend,
erreicht es Poesie,
mit Bild und Klang betörend,
zu fühlen Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Haushaltsfrage

Wie kann, wer selber hoch verschuldet ist,

viel Geld sich leihen, andrer Schulden zahlen?

Das will mir scheinen aberwitz’ge List

und macht die Nacht mir schlaflos, fühle Qualen,

dass sich hier einspinnt eine Schuldnerzunft,

die emsig jene schwarzen Löcher füllt

und, fern von aller praktischen Vernunft,

die Zukunft unsrer Kinder damit killt.

© Ingrid Herta Drewing

Mauerfall ’09

dsci0002Ja, mögen alle Mauern dieser Welt

auf solche Weise zügig fallen,

wie diese hier, symbolisch aufgestellt,

in Dominos zu Boden prallen.


Die Mauern in den Herzen und den Köpfen,

sie müssen schwinden und die Schranken

der egoistischen Gedanken,

die sich im Kreise dreh’n ums Werte Schöpfen.


Das Bild der Einen Welt, es sollte leiten

wohl unser täglich Tun und Planen.

Die Liebe hisse ihre Fahnen,

gemeinsam gehen in die neuen Zeiten !

Ingrid Herta Drewing

Barockgarten

Gesäumt vom Dunkelgrün

aufragender Zypressen

führt hin in weißem Kies

der Weg zum Schloss.

Hier wirkt die Ratio, kühl;

wer einstmals dies besessen,

Klarheit genoss.


Doch schuf er sich auch hier

geheimnisvolle Orte:

Ein Buchsbaumlabyrinth

führt in die Irre,

Springbrunnen, ihrer vier,

senden auf laute Worte

Fontänen in den Wind,

dass es verwirre.


Und hinter Mauerhecken

ganz plötzlich Steingestalten,

die Nymphe und der Faun,

dich frech anschauen,

du sollst erschrecken,

erfahren dunkles Walten,

ein leises Grauen.


So wie der Tod das Leben

heraus aus hellem Blühen

mit kalter Hand ergreift,

hinab ins Dunkel schleift,

so sollst du hier erbeben

und wahrhaft dich bemühen,

nach Edlem streben.

Ingrid Drewing