Novembermorgen im Kurpark

Der Tag erwacht im Nieselregen,
nun da der Nebel sich gelegt.
Die Blätter auf den nassen Wegen
sind rutschig, der Laubbläser Fegen
hat sie nur kurz zur Seit‘ bewegt.

Die Bäume, wild vom Wind geschoren,
nun stehen kahl in der Allee,
so schwarz befrackt im Nass verloren,
als habe man sie auserkoren
zum Krähen-Stammplatz in der Höh‘.

Der Park liegt schweigend, deine Schritte
hört man auf Herbstes Teppich nicht.
Gut eingemummt in Mantels Mitte,
vergisst du stummer Sehnsucht Bitte,
dies Hoffen auf der Sonne Licht.

Doch plötzlich bricht in diese Stille
der grünen Papageien Ruf.
Ein ungebändigt‘ starker Wille
erinnert an des Lebens Fülle,
das Frühlings, Sommers Träume schuf.

© Foto u. Text /Ingrid Herta Drewing,2019

Halsbandsittiche im Kurpark/ Wiesbaden

Im Nebel

Im dichten Nebel wirkt die Landschaft matt.
Kaum lassen da Konturen noch erahnen,
dass es sie gibt, dort hinterm Grau, die Stadt.
Kein Wind bewegt die schlaffe Wetterfahne.

Es bellt kein Hund, sogar die Krähe schweigt;
gedämpft sind meine Schritte, eine Stille,
die feindlich fast in meine Ohren steigt.
Ich wische mir die Feuchte von der Brille.

Die Bäume, ihres Laubes ganz beraubt,
sie wirken im Spalier wie Spukgespenster.
Da, endlich leuchten schwach des Hauses Fenster,
und Leben grüßt, das ich schon fern geglaubt!

Ein Mensch hat sich hier Wärme, Licht entfacht,
trotzt so dem Nebel und der langen Nacht.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2018

Spätherbstmorgen

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Nebel, Novembergesicht,
Schleier verhangen der See,
feuchtkalt der Morgen spricht
leise von Abschied und Weh.

Verstummt die Farbengesänge
des Herbstes im Sonnenlicht;
über die goldenen Hänge
wabert die milchgraue Schicht.

So, als sei Schweigen erkoren,
singt heut‘ kein Vogel zum Fest,
Krähen nur sitzen verloren
oben im kahlen Geäst.

Und dennoch nähr‘ ich dies Hoffen,
dass bald ich Klarheit erschau.
Es zeige der Himmel uns offen
die Wintersonne im Blau.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2017

Wortklaubereien

Verstehen setzt voraus Verstand,
und Kenntnisse heißt: vieles kennen.
Das Handeln fordert gute Hand,
beim Namen kann man vieles nennen.

Das Schweigen schenkt die Kraft der Stille.
Verschweigen ist meist’ nicht so gut,
denn oft legt ein besorgter Wille
nur neues Holz auf helle Glut.

Was so verbal scheint nah zu liegen,
ist häufig doch einander fern.
Nicht jeder Flügel dient dem Fliegen,
und auch nicht jeder Star ist Stern.

© Ingrid Herta Drewing

Vor dem Schweigen

Bevor dies‘ gräuliche Vermummen
des Nebeldickichts Kreise zieht,
sogar die Krähe krächzend flieht,
mögen die Bienen emsig summen,
Hirschkäfer kommen, zärtlich brummen;
am Morgen freche Elstern keckern,
die Amseln hier laut zeternd meckern,
und fröhliche Gezwitscher-Weisen
im Herbstbaum schenken uns die Meisen!
Mit ihrem munt’rem Lebenslied
erfreuen sie uns Seel‘, Gemüt,
verhüten trauriges Verstummen.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Drei Varianten

zur Wortvorgabe:Amour, Feuerwerk,rosa,Ohr,Wort

1. Traum

Dies‘ Feuerwerk! Oh, mon amour!
Wir kannten beide keine Uhr.

Der Morgenröte rosa Wort,
ein zärtlich Flüstern klingt in meinen Träumen,
erreicht mein Ohr;ich möcht‘ den Tag versäumen,
verweilen hier im Liebes-Hort.

2.Guter Rat

So mancher, der dies‘ Feuerwerk Amour
besang mit rosafarb’nen Fügelworten,
fand bald sich wieder auf der falschen Spur
an fremden,aschefahlen,öden Orten.
Drum hüte wohl,was sie dir flüstert in dein Ohr,
bewahre ihr Geheimnis, sei kein tumber Tor!

3.Korb

Wo ist das Feuerwerk
einer Amour fou?
Rosafarben
treffen deine Süßholzworte
auf taube Ohren.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Dornröschen-Schlaf

Es singen keine Vögel,
verlassen liegt das Tal,
kein Wind, kein Sonnensegel,
nur grauer Wolken Qual.

Des dunklen Waldes Schweigen
fügt klanglos sich, fast mild,
dem Tann von jeher eigen,
ins grün begrenzte Bild.

Wo bleibt des Frühlings Jubel,
der hellen Tage Licht,
der Vögel Zwitscher-Trubel?
Gelähmt, hier herrscht Verzicht.

Als hätt‘ ein Zauber böse
die kleine Welt verflucht,
bis sie der Lenz erlöse,
der irrend nach ihr sucht.

© Ingrid Herta Drewing

Karfreitag in Granada 1976

Schwarz säumt die Menge die Straße.
Dort in dumpfem Trommeltakt
die Prozession des Schweigens,
der Büßer und Träger der Pasos.

Und andächtig neigen sich Gläubige
zu der weißen Marien-Gestalt.
Vom Lichtflor der Kerzen und Nelken umstrahlt,
schwebt sie hoch über den Häuptern
und den finsteren Capuchones.

Und wieder der Trommeln Ruf
und das Echo des Schweigens.
Die Costaleros gemessenen Schrittes
tragen den Herrn,Christus am Kreuz,
mit ihm alle Schuld und die Bitte: Vergib!

Auch du hieltest den Palmzweig bereit,
der verwelkt dich noch mahnt.
Wie schnell schwanden Begeisterung,Treue!
Der Palmarum-Jubel erstarb in Golgatha.
Karfreitagtraurigkeit:
Warum muss immer die Unschuld sterben?

Und wieder der Trommeln Takt,
die Guardia Civil marschiert mit
und übernimmt (mangels Römer)
die Rolle, die sie auch sonst oft vertritt.

© Ingrid Herta Drewing,1976

Nebeltag

Und eine graue Burka trägt der Tag;
es droht die Welt ins Einerlei zu sinken,
die Stadt, der Wald im Nebel zu ertrinken.
Ein dumpfes Schweigen, das ich gar nicht mag.

Vermisse gar das Krächzen jener Krähe,
die mich noch unlängst häufig hat gestört.
Ich hätte heute wirklich gern gehört
dies‘ heiser Lebenszeichen in der Nähe.

Wenig erbaulich wirkt auf mich die Stille,
zu undurchdringlich scheint dies‘ feucht‘ Gespinst.
Mir ist, als ob des Todes ernster Wille
als Nebelfratze auf dem Kirchhof grinst.

Doch hoffe ich, dass bald der Spuk hier weicht
und strahlend uns das Sonnenlicht erreicht.

© Ingrid Herta Drewing

Weiße Nächte

Die Nächte tragen weiße Kleider,
und Mondlicht färbt sie silbern ein
inmitten heller Sterne Schein.
Ihr Schneegewand glänzt, ohne Neider
umhüllt ’s die Erde zärtlich, rein.

In solchen Nächten liegt ein Schweigen
fast gütig auf der lauten Welt,
die täglich lärmend jagt nach Geld.
Jedoch nun scheint ihr Friede eigen,
darf himmlisch träumen, sanft erhellt.

© Ingrid Herta Drewing