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Totentanz

Der Ransi Karl, frisch aus der Gruft gestiegen,
hält sich zum Geister-Tanz bereit,
will sich im Reigen mit den andern wiegen,
denn zwölf Uhr nachts ist ihre Zeit.

Sie legen ab die alten Totenhemden
und scheu’n kein klapperndes Gebein,
was viele Lebende würd‘ wohl befremden,
Gerippe, bleich, in hellen Mondes Schein.

So reihen sie sich flugs zu flotten Rhythmen,
und Karl, der schlägt versiert den Takt.
Es finden Witwer wieder ihre Witwen,
sie schwofen über Gräber, dass es knackt.

Zwei Jungen, denen Streiche gut gefallen,
wie Max und Moritz bei W. Busch,
steh’n hinter einem Engel, der metallen,
und seh’n wie Karl schlägt laut den Tusch.

Ihr Anfangs-Gruseln weicht, sie flüstern, staunen;
Jan zückt sein Handy für ein Bild.
„ Sonst glaubt ’s uns keiner!“, hört ihn Dennis raunen,
„gut für You Tube, wenn man schön chillt!“

„Es wär‘ auch cool, noch so’n Hemd mitzunehmen?
Ich robbe rüber, hol ’s vom Grab.“,
meint Dennis keck und weiß nichts von Problemen,
die solch ein Diebstahl für ihn hat.

Karl, der von Tanz und Spiel ganz eingenommen,
merkt nichts von dieser schlimmen Tat.
Jedoch zum End, als sie zur Kleidung kommen,
da fehlen ihm Gewand und Rat.

Doch dort beim Engel hört er plötzlich Lachen,
und er entdeckt des Frevels Art.
Ein heil’ger Zorn erfasst ihn, solche Sachen
sind für ihn abgründig und fad.

Er stürzt sich auf die beiden Übeltäter;
die nehmen hurtig schnell Reißaus,
verlieren Handy, Hemd und merken’s später,
als sie dann sicher sind zu Haus.

Karl hat recht bald in Kleidung, Ruh gefunden,
nimmt’s Handy mit in seine Gruft,
ruft Jan und Dennis an zu vielen Stunden
und droht, er hole noch den Schuft.

Die beiden unverfrornen Geister-Jäger
sind seitdem doch recht kleinlaut, still,
die Eltern wundern sich, dass sie nun träger
und keiner mehr zum Friedhof will.

© Text: Ingrid Herta Drewing,

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