Archive for the Category Schmunzelgeschichte

 
 

Blödelverse

Das Dreieck hat drei Ecken,
ein Rechteck ihrer vier.
Die Kugel, eine kecke,
rollt ohne durch ’s Revier.

Das Rad hat Katzenaugen,
die blinken hell im Licht.
Zum Mäuse Suchen taugen
sie aber dennoch nicht.

Der Hai hat scharfe Zähne,
frisst aber nie ein Rind.
Dem Seepferd fehlt die Mähne,
und Vater kriegt das Kind.

Der Laubfrosch auf der Leiter
pflückt keine Kirschen dort.
Er hat kein Körbchen, heiter
springt er doch wieder fort.

Ingrid Herta Drewing

Der verschwundene Schnuller

Säuglinge und kleine Kinder wissen schon genau, was sie wollen. Das zeigt nicht nur das instinktsichere Finden der Mutterbrust, das gilt auch für andere orale Vorlieben, wie
den Schnuller oder das abgelutschte Ohr eines bestimmten Kuscheltieres. Und wehe, wenn das Objekt der Liebe und Begierde nicht greifbar ist! Dann kann man erleben, was
Diktatur einer Minderheit bedeutet. Die einzige Waffe des Kindes, das Schreien, versetzt alle in Alarmstimmung.
Bei meinem kleinen Sohn war das nicht anders. Es gab da nur einen ganz bestimmten Schnuller, den er akzeptierte. Deshalb achteten wir auch sorgsam darauf, dass dieses Beruhigungsmittel immer verfügbar war. Wir hatten zwar davon schon einen Zweitschnuller angeschafft, aber der wurde generell abgelehnt.
Sehr beunruhigt reagierten wir deshalb einmal, als wir das kostbare Teil nicht fanden.
Wir waren gerade dabei, alles zusammenzupacken, um von dem Geburtstagsbesuch bei Omi aufzubrechen, als der gewissenhafte Vater mich erinnerte: “Schatz, vergiss den Schnuller nicht!“
Natürlich, den Schnuller, den durften wir nicht vergessen! Aber wo war das verdammte Ding? Zwar schlief das Baby zurzeit noch seelenruhig im Kinderwagen; aber das konnte sich ja blitzartig ändern. Und eine schlaflose Nacht wollten wir uns erst gar nicht ausmalen, das kannten wir zur Genüge.
Wen wundert es da, dass wir sofort überall in Omas Wohnung mit der Suche begannen, nachdem wir den Kinderwagen, die Taschen, Decken und Kissen gefilzt hatten.
Die gesamte Großfamilie betätigte sich schließlich an der Schnuller- Suchaktion; aber das vermaledeite Ding war einfach nicht aufzufinden, obwohl wir fast generalstabsmäßig
alles durchkämmt hatten. Tante Erna meinte besänftigend,wir hätten ihn sicher zu Hause vergessen.
Ermüdet vom Suchen, hofften wir das dann auch, obwohl ich mir sicher war, den Schnuller am Nachmittag im Mund meines Kindes gesehen zu haben. Aber schließlich begaben wir uns mit dem zum Glück noch schlafenden Kind auf den Heimweg.
Wir waren kaum zu Hause angekommen, als das Telefon klingelte. Mein Mann, der den Anruf entgegengenommen hatte, begann schallend laut zu lachen und sagte witzelnd:
„Oh, oh, du bist mir aber eine ganz Schlimme!“ und gab mir den Hörer.
Meine Mutter war am Apparat und gab Entwarnung. Der Schnuller war gefunden worden. Als Mutter sich zum Duschen ausgezogen hatte, war ihr das Teil aus der Bluse gefallen, und sie erinnerte sich daran, dass sie ihren Enkelsohn am Nachmittag eine Weile im Arm gehalten hatte. Dabei musste ihr der Schnuller wohl in den Ausschnitt gefallen sein, und in der Geburtstagsaufregung hatte sie nichts bemerkt.
Seit diesem Ereignis heißt es bei uns in der Familie immer,wenn etwas gesucht wird: “Hast du schon in Mutters Ausschnitt nachgeschaut?“

Ingrid Herta Drewing