Archive for the Category Städte

 
 

Anonym

Es hatten sich Verlorene gefunden,
der Zufall einte sie im Sog der Nacht.
Man fühlte sich für kurze Zeit verbunden,
bis tags das Wunder madig ward gemacht.

Das Licht entlarvte den Verfall, die Falten,
und was verheißungsvoll im Dunkel schien,
zerfiel wie Asche vor dem Auge, die Gestalten
entfernten sich, vorbei ihr Liebesglüh’n.

Im Großstadtdschungel mancher Metropole
verirren nächtens viele Menschen sich,
sie steigen ab, frönen dem Alkohole,
verlieren ihre Richtung, fast ihr Ich.

In Häuserfluchten anonym, allein,
gilt’s zu ertragen hier, einsam zu sein.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Atempause

So lass ich mir den Sommertag gefallen,
ein himmlisch Blau, hell, klar und unverstellt.
Vergesse aller Ängste, Sorgen Lallen,
was sonst zur Zeit uns will ins Leben wallen,
erfreu‘ mich nun am Schönen dieser Welt.

Es braucht die Seele eine Atempause,
kein böses Bild nun dringe in sie ein!
Drum seien mir in meiner kleinen Klause
Natur und Friede ein geborgenes Zuhause,
ein Blumenhort, erfüllt von Sonnenschein!

© Ingrid Herta Drewing,2016

Verirrt

Seltsam real ist’s oft, wovon wir träumen.
Wir sind an Orten, auch in fremdem Land;
auch wenn nur Name oder Bild bekannt,
entführt’s uns magisch dann in seine Räume.

So ging im Traum ich heut‘ in Köln spazieren,
zum Rosenmontagszug schnell hin gereist.
Die Narren durften durch die Stadt marschieren.
In Mainz lag wegen Sturm der Zug auf Eis.

Obwohl die Sonne schien, wollt‘ ich nach Haus,
und suchte nach dem Bahnhof, fand ihn nicht.
Kein Mensch, den ich gefragt, kannte sich aus,
bedauerte mit fröhlichem Gesicht.

Es kam mir vor wie eine Odyssee,
ich irrte lang umher in Straßen, Gassen,
sah Kostümierte in der Rheinallee,
sich munter tanzend an den Händen fassen.

Viel bunte Schiffe fuhren auf dem Rhein,
von fern sah ich den Dom mit seinen Türmen.
Smaragdgrün war der Fluss, wie konnt‘ das sein ?
Und dann begann’s zu regnen und zu stürmen.

Doch, kurz bevor Verzweiflung mich befiel,
verging der Traum, erleichtert wacht‘ ich auf.
Ich war zu Haus. Vorbei das irre Spiel!
Und heiter nahm der Tag dann seinen Lauf.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Rhein-Tryptichon

Der Rhein

I Alpenrhein und Oberrhein

Vom Rheine lasst uns hell hier singen,
vom gletschergrünen, jungen Rhein,
der aus zwei Quellen, Flüsschen springend,
durch steile Alpenschluchten dringend,
wild sprudelnd fließt ins Land hinein!

Er rauscht zu Tal; im Bodensee
scheint er sich lieblich zu verlieren
und sagt in Konstanz doch Ade,
um bei Schaffhausen, aus der Höh’
in tiefem Fall zu triumphieren.

Hoch rahmen Schwarzwald und Vogesen
nach Basel ein den Oberrhein;
auch Pfälzer-Oden-Waldes Wesen,
Weinstraße, Rebsaft auserlesen
hier laden gerne Gäste ein.

Ob Freiburg,Straßburg, Mainz,Wiesbaden,
Karlsruhe, Worms und Speyer-Tour
Jahrtausend’ alte Städte laden
ein zu Geschichte-Promenaden
anheimelnd schöner Stadt-Kultur.

II Mittelrhein

Der Mittelrhein, ein Sagen-Raunen
begleitet der Touristen Schiff.
Hier lässt des Flusses Schönheit staunen,
als hätt‘ ein Gott in Liebeslaunen
ihm einst verliehen diesen Schliff.

Er windet sich im engen Tal,
in Fels-Weinberge eingeschnitten,
der Strom, auf dem schon dazumal
von Süd und Norden ohne Zahl
der Römer Schiffe stolz geglitten.

Doch auch des Mittelalters Seiten,
die Burgenpracht auf Felsenwand,
entrücken uns in ferne Zeiten.
Von Ritter – Leben, kühnem Streiten,
erzählt romantisch hier das Land.

Und sanft erklingt die alte Weise,
dies’ Märchen von der Loreley,
das Heine-Lied, wehmütig, leise;
nah’ St. Goar zieht ’s seine Kreise;
ergriffen lauscht der Mensch dabei.

III Niederrhein

Vorbei an Drachenfels’ Gestalten,
strömt er ab Bonn als Niederrhein.
Nun darf er in der Breite walten,
gemächlich fließen, langsam schalten;
die Ebene lädt dazu ein.

Schon grüßt in Köln der Dom so prächtig,
der Gotik Türme, hoch und hehr,
ein Bauwerk, herrlich, groß und mächtig,
das viele Menschen hier bedächtig
und glaubend bauten, wenn’s auch schwer.

In Duisburgs großen Binnenhafen
mündet als Nebenfluss die Ruhr.
Hier zeigt der Strom, recht ausgeschlafen,
den Umschlagplatz der Ruhrpott-Braven;
die Industrie bestimmt die Spur.

Bei Emmerich, Nordrhein-Westfalen,
verlässt der Rhein das deutsche Land,
darf sich in Niederlanden aalen,
als Waal und Lek ins Delta malen,
erreicht mit Maas der Nordsee Strand.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Verrückter Januar in Wiesbaden

In meinem Leben noch nie war
Gewitter hier im Januar,
dazu ein sanfter Frühlingsregen.

Die Wiesen Gänseblümchen hegen,
auch dort im Park, im stillen Hag
die Rose rot noch blühen mag.

Und Vögel, die zu Haus’ geblieben,
hell singend in den Bäumen stieben,
sich zwitschernd schon im Nestbau üben.

Ich fänd‘ das schön und säh’s beglückt,
wär‘ nicht die Jahreszeit ver- rückt.

© Ingrid Herta Drewing

Venedig im Winter

Der Winterhimmel spiegelt sich türkis
in deinen stillen Wassern der Kanäle.
Ja, Serenissima, es ist, als hieß’
dich nun Natur, dein Märchen zu erzählen.

So sanft und lieblich deine Schönheit, klar,
die dir Touristenmassen sonst fast rauben.
Dein edler Zauber wird zart offenbar,
und nicht nur Canaletto würd‘ das glauben.

So oft schon totgesagt, dem Meer ergeben,
erstrahlst du hell in Anmut ferner Jahre,
Jahrhunderte erzählen hier dein Leben;
noch immer trägst du Gold in deinen Haaren.

Bist alt, jedoch dein edles Angesicht
ist mir an diesem Wintertag Gedicht.

Ingrid Herta Drewing