Trauma

So manches mag sich ins Gedächtnis schreiben,
obwohl wir ihm verwehrten gern den Raum.
Wenn Leid uns überfällt, soll es nicht bleiben
und dennoch sucht es uns oft heim im Traum.

Das lässt uns hilflos sein, denn kein Verdrängen
gewehrt der Seele, die verletzt, ein Heil.
Betäubt sieht sie sich ausgesetzt den Zwängen,
die sie bedrücken, schmerzen Zeil um Zeil.

Gut, wenn ein Profi Hilfe kann gewähren,
behutsam führen hin zum Selbst-Befrei’n,
damit Erlittenes nicht mag beschweren
die Zukunft eines Lebens, menschlich Sein.

© Text: Ingrid Herta Drewing
Foto: Pixabay

Abschied

Und fahlgelb schien uns der Septembermond,
als du gemeinsam mit dem Sommer gingst.
Dein Abschiedskuss, noch liebevoll betont,
und doch dies Fremdeln, als du mich umfingst.

Du warst zwar hier und dennoch schon gegangen.
Dein Blick, verlegen, wich dem meinen aus.
Darum verbarg ich sorgsam mein Verlangen
und folgte dir noch tapfer vor das Haus.

Wer weiß, wohin die Liebe müde ging;
warum wir sie nicht bergen konnten,
obwohl sie einstmals uns so lieb umfing,
als glücklich wir in ihrem Glanz uns sonnten?

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Erinnern und Vergessen

Sie waschen sich die Asche aus den Haaren,
die sie sich öffentlich auf ’s Haupt gestreut,
zu zeigen, dass man falsche Tat zutiefst bereut,
doch auch um Schuld nicht länger zu bewahren.

Recht schnell füllt man den Tag mit Dur-Akkorden.
Das Leben muss ja weiter gehen, Kind!
Mit Leib und Leid und allen Tränen sind
sie so rhetorisch fertig flugs geworden.

Die Zeit hat Flügel, lässt sehr viel erfahren,
webt mit am Blanko-Buch und am Vergessen,
schreibt stets das Schöne auf, was man besessen.

Und dennoch gibt es Menschen, die nach Jahren
noch immer sich erinnern und bewahren,
was man an Leid ertragen, Schuld ermessen.

©  Ingrid Herta Drewing, 2021

Vor dem Spiegel

Die Falten, die die Zeit
dir auf die Stirn gebügelt,
als schrieben sie den Eid,
dass alles, was beflügelt,
ob’s Leid, ob’s Freudenfest
auch Spuren hinterlässt.

Da kräuseln sich an Mund
und Augen Lachens Zeugen,
doch tut sich Gram auch kund,
mag leicht die Züge beugen.
Es zeichnet Jahr für Jahr
des Lebens dich fürwahr.

Jedoch der Augen Glanz
ist leuchtend dir geblieben,
verspricht noch immer ganz
dies Hoffen, innig Lieben,
das hier im Leben singt,
noch in den Tiefen schwingt
und gütig Freude bringt.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Kinder

Wer Kinder hat, der weiß, wovon ich rede,
es liegt dir nur ihr Wohl und Weh am Herzen.
Sind sie noch klein, lebst du in steter Fehde
mit Kummer, Sorgen, vielen kleinen Schmerzen.

Und pubertier’n sie, tust du gut daran,
mit wachem Blick viel Freiheit zu gewähren;
auch wenn man müde ist, nur mühsam kann,
ist’s wichtig doch, geduldig zuzuhören.

Wenn sie erwachsen, ihren Weg gefunden,
lässt du sie los, wenn weh dein Herz auch zieht,
und freust dich auf die selten schönen Stunden,
da man einander glücklich wieder sieht.

Doch immer in Gedanken lebt die Frage:
Geht’s dem geliebten Kinde wirklich gut?
Das bleibt so bis zum Ende deiner Tage,
schließt auch die Enkel ein und ihre Hut.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing

Lächelnder Engel

So viele Jahre blickst du schon hernieder;
du siehst und sahst viel Menschen kommen, gehen.
Es tönten böse, doch auch gute Lieder,
mal Kampfgetöse und dann Frieden wieder.
Doch du bliebst lächelnd am Portal dort stehen.

Der Steinmetz, der dich damals durft‘ gestalten,
er war gewiss ein Mensch mit frohem Sinn.
So schuf er nicht nur kunstvoll Kleides Falten
und Flügel für dein himmlisches Verhalten,
er stellte dich lebendig, lächelnd hin.

Als Engel freundlich, scheinst du zu verstehen,
was Menschen seit Jahrhunderten bewegt,
wenn sie sich irren, falsche Wege gehen,
in Not und Angst dann hier um Hilfe flehen
und hoffen, dass sie Gott trotz Schuld noch hegt.

© Foto* u. Text / Ingrid Herta Drewing,2018

*Engel am Westportal der Kathedrale von Reims, 1963 fotografiert

Tragisch

Schuldlos schuldig! Dies Verstricken,
das den menschlichen Geschicken
treibt der Freiheit Freude aus,
wenn sodann mit klaren Blicken
deutlich wird des Handelns Graus.

In den Zwiespalt tief geraten,
Schuld beladen, seine Taten
sieht er als ein tragisch‘ Los;
ob’s der Nornen, Parzen Saaten,
heldenhaft erträgt er’s groß.

Die Staatsräson und Menschlichkeit,
sie haben sich schon oft entzweit.
Wohl dem, der muss entscheiden,
dass er von solcher Wahl befreit,
die niemals frei von Leiden.

© Ingrid Herta Drewing, 2018

Jahresende

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Das Jahr ist müde, legt sich bald zur Ruhe,
lädt an Silvester noch zu muntrem Tanz,
dann packt’s Erinnerungen in die Truhe,
die golden Tage, die es sah in Glanz.

Das Neue tritt herein auf leisen Sohlen.
Am liebsten wäre mir, es brächte Schnee,
zeigt‘ klare Wintertage unverhohlen
und Sonne in des Himmels blauer Höh‘.

Es möge sich auch friedlich hier erweisen,
jedwede Kriege, Terror seien fern,
und lasse Elend, Not und Tod verreisen
auf einen weit entfernten andern Stern.

Ich weiß, dies Wünschen bleibt nur Illusion,
und dennoch träume ich recht gern davon.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2017

An Maria

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Oh, Maria, Mutter aller Mütter,
Gott gab dir und nahm dir deinen Sohn;
doch dein Glaube, auch im Leide unerschüttert,
sah ihn liebend auf dem Gottesthron.

Musstest ihn im Stalle einst gebären,
zwischen Esel dort und Rind.
Wusstest schon, er würd‘ dir nie gehören,
sprach doch Engel Gabriel vom Gotteskind.

Josef aber stand dir treu zur Seite,
und die Könige aus fernem Land
kamen zu dem Kinde, sterngeleitet,
brachten Weihrauch, Myrrhe, Herrschers Unterpfand.

Konntest wohl kaum fassen, dass das kleine Wesen,
dir am Herzen wachsend, Weltenretter sei,
dass er die, die an ihn glauben, sollt‘ erlösen,
dass er trotze Tod und Teufel selbst dabei.

Später, als die Welt begann, dein Kind zu hassen,
qualvoll tötete, es schien von Gott verlassen,
da Maria, war’s dein stummer Schrei,
der für alle Mütter in der Welt erklungen,
denen man ein Kind entrissen hat.
Auch wenn Liebe dann den Tod bezwungen,
blicken doch die Augen tränenmatt,
denn sein irdisch Leben ist vorbei.

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing

Wiesbaden,Ausschnitt, Krippe auf dem Weihnachtsmark

Lebensermunterung

Version 3

Wie oft erstarrst du stumm vor jener Leere,
dem Elend, das zu Wüsten sich ausweitet
und unentwegt in deine Richtung schreitet.
Du fürchtest Kriege, ihre Leidensheere,
den Tod, den dunklen Mantel ausgebreitet.

Die Sehnsucht nach dem hellen Licht der Liebe,
die doch dies Leben hier in Atem hält,
das Wachsen, Blühen, Reifen schenkt der Welt,
beseelt dich dennoch, meidest, was so trübe
und du nimmst wahr, was deinem Blick gefällt.

So vieles, was begegnet dir auf Erden,
nur kurz erscheint, es greift in deinen Tag.
Ein Lächeln im Vorübergehen mag
in seinem Leuchten dir zu Teil auch werden
und löscht den Kummer einer trüben Klag‘.

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing,2017