Erinnern und Vergessen

Sie waschen sich die Asche aus den Haaren,
die sie sich öffentlich auf ’s Haupt gestreut,
zu zeigen, dass man falsche Tat zutiefst bereut,
doch auch um Schuld nicht länger zu bewahren.

Recht schnell füllt man den Tag mit Dur-Akkorden.
Das Leben muss ja weiter gehen, Kind!
Mit Leib und Leid und allen Tränen sind
sie so rhetorisch fertig flugs geworden.

Die Zeit hat Flügel, lässt sehr viel erfahren,
webt mit am Blanko-Buch und am Vergessen,
schreibt stets das Schöne auf, was man besessen.

Und dennoch gibt es Menschen, die nach Jahren
noch immer sich erinnern und bewahren,
was man an Leid ertragen, Schuld ermessen.

©  Ingrid Herta Drewing, 2021

Morgengebet

Wir danken, Vater, für das Tagen
nach langer Nacht und tiefer Schuld.
Verleih uns Mut, nicht zu verzagen,
beschütze uns vor Ungeduld,
hier vorschnell, schädlich, falsch zu handeln,
der Schöpfung Schönheit zu verschandeln!

Herr, der du uns in deiner Güte
dies irdisch‘ Paradies geschenkt,
der Pflanzen Grünen, ihre Blüte,
die hin zu Frucht und Reife lenkt,
gib uns auch Kraft, auf weisen Wegen
in deinem Sinn dies Gut zu hegen!

Wir bitten dich um wahren Frieden,
die Güte und den wachen Blick,
einander helfend zu behüten,
fern sei uns Hass und Kriegsgeschick!
Lass uns, was heilen hilft, erkennen
und Leben, Lieben nicht mehr trennen!

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing,2018

Tragisch

Schuldlos schuldig! Dies Verstricken,
das den menschlichen Geschicken
treibt der Freiheit Freude aus,
wenn sodann mit klaren Blicken
deutlich wird des Handelns Graus.

In den Zwiespalt tief geraten,
Schuld beladen, seine Taten
sieht er als ein tragisch‘ Los;
ob’s der Nornen, Parzen Saaten,
heldenhaft erträgt er’s groß.

Die Staatsräson und Menschlichkeit,
sie haben sich schon oft entzweit.
Wohl dem, der muss entscheiden,
dass er von solcher Wahl befreit,
die niemals frei von Leiden.

© Ingrid Herta Drewing, 2018

Anmerkung zu A.

Wer sagt, man solle, wolle, könne, dürfe
nun nach Auschwitz kein Gedicht mehr schreiben,
der hat das Böse in der Welt verkannt.
Mit Denken, Lehren, auch in tiefem Schürfen
lässt es sich wohl alleine nicht vertreiben,
weil man doch so nur anspricht den Verstand;
Herz ,Seele und Gefühl dabei vergisst.
Ich glaub, dass dieser Weg nicht richtig ist.
Es braucht der Mensch doch auch die Poesie,
das stille Glück im Leben, Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing,1964

Erntedank-Gebet III

Wir danken, Gott,für deine Gnade,Güte.
Du hast mit uns unsagbare Geduld,
obwohl wir Schuld beladen,Zorngemüte,
gewährst du dennoch Leben uns und Huld.

Du lässt uns auf der schönen Erde leben
und säen, ernten, ein Zuhause finden.
Durch deine Güte alles wird gegeben,
was uns in Liebe mag hier zärtlich binden.

Verleih uns Kraft, Herr, dass wir klar verstehen,
wie wir dies‘ irdisch‘ Paradies verwalten
und wissentlich als Friedensstifter gehen,
als Hüter deine Schöpfung heil erhalten!

Und stärke uns! Im Leid auch lass uns glauben,
dass nichts uns unsre Zuversicht kann rauben!

© Ingrid Herta Drewing,2013