Im Blickpunkt

Du fühlst dich so seltsam zerrissen,
verstehst nicht mehr dieses Spiel.
Was einmal so klar, alles Wissen
um Würde, Recht, Menschlichkeit Ziel,
kommt es jetzt abhanden, geht fort
hier in unsrem Land, auch vor Ort?

Es wachsen die Ängste vor andern:
Millionen, die noch auf der Flucht
in unsre Reviere einwandern.
Abgrenzen wird nun fast zur Sucht.
Europa, mit sich nicht im Reinen,
vermag sich auch da nicht zu einen.

Und täglich die Bilder, die Boote
befrachtet mit Menschen, zu schwer,
sie kentern, und Tausende Tote
verschlingt das azurblaue Meer.
Wie groß muss sie sein, ihre Not,
dass sie nicht die Furcht schreckt vor Tod?

In Medien die Nachricht – Bedauern
kurz als Ritual rückt ins Bild.
Dich lässt deine Ohnmacht erschauern,
dein Mitleid dies‘ Elend nicht stillt,
stehst still mit gefalteten Händen
und betest, das sollt‘ endlich enden!

© Ingrid Herta Drewing,2018

Vor dem Exit

Der längste Tag des Jahres ging vorüber,
sechs seiner Monate sind fast vorbei.
Doch vieles braucht noch einen Nasenstüber,
steht so erstarrt, als ob noch Winter sei.

Zwar singt man ab und an hier Schillers Ode,
der Neunten Schlusschor rückt ins lichte Bild,
doch nähen leichtfertig an neuer Mode
die, denen nationaler Stoff nur gilt.

Der Traum von der EU, in Gänze groß,
steht auf dem Prüfstand, stellt sich bloß,
sollt‘ doch global den Frieden mit erhalten.

Doch Ohnmacht nährt hier schwankende Gestalten,
die nur noch auf den eignen Nabel schauen,
so nicht mehr auf Europas Zukunft bauen.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing

Mutwillig

Da sitzen sie und schwingen ihre Reden,
um ihre Köpfe wabert grauer Rauch.
Doch schmeckt das Bier, erfrischt noch einen Jeden,
der hier zum Stammtisch kommt, wie es so Brauch.

Schnell werden dort aus Mücken Elefanten,
einander ist man einig sich, ein Graus
sei dies Dilemma mit den Asylanten,
man traue kaum sich noch zum Haus hinaus.

Der Alkohol benebelt ihre Sinne,
so reden sie in Rage sich und Wut.
Man will, bevor mehr Unheil noch beginne,
rasch handeln und beschwört den eignen Mut.

Und plötzlich scheut man auch nicht vor Gewalt
zurück und rottet sich gleich wilden Affen
zusammen, kennt nicht mehr Vernunft, noch Halt,
will wild im Wahn Gefahren jetzt abschaffen.

Was dann geschieht, berichten die Gazetten
am nächsten Tag, versteckt auf Seite zehn.
Drei junge Burschen, angeheitert, hätten
ein Feuer angezündet aus Verseh’n.

© Ingrid Herta Drewing

Randbemerkung

Wir halten hier unsre Ängste auf Trab
und lassen uns täglich brüskieren.
Da beißt jede Maus flugs ihr Fädchen ab;
die Katzen sitzen und lachen sich schlapp,
wie leicht ist’s, zu manipulieren!

Da mag der Bürger mal sehr selbstbewusst
in Protest geraten und wählen.
Am Tag danach dann vergeht ihm die Lust
er spürt die Ohnmacht und wieder den Frust,
sucht sich Sündenböcke zum Quälen.

Auch wird das Bild der Eliten bemüht,
die weise entscheiden, regieren,
das Märchen erzählt vom „Schland“, das erblüht.
Doch wenn der Mensch dort die Tafeln sieht,
bemerkt er, wie viele verlieren.

Der Hochmut will immer höher hinaus.
Es wachsen die steinreichen Kasten,
bilden sich weltweit als Krebsgeschwür aus,
zerstören der Ärmsten Hütte und Haus,
deren Leben mit Krieg sie belasten.

Du magst da vielleicht an Sintfluten denken,
glaubst fest gar an ein Erneuern der Welt.
Jedoch wird der Reiche als Noah lenken,
sich selbst nur den Bunker, die Arche schenken,
dieweil alles Andre ertrinkt, stirbt und fällt!

© Ingrid Herta Drewing,2016

Fastnacht 2016

Der Jecken Zeit ist nun gekommen,
sie feiern munter Karneval.
Die Tradition bleibt unbenommen;
doch mancher Mensch denkt auch beklommen
an Terrorismus und Skandal.

Was früher, leicht und unbekümmert,
bestimmte närrisch‘ frohe Stunden,
wirkt nun im Grunde wie zertrümmert.
Man fühlt, es hat sich was verschlimmert,
hofft, dass noch Sicherheit gefunden.

Fast mag es manchem hier erscheinen,
als sei’s ein Tanz auf dem Vulkan,
wo vieles nicht mehr ist im Reinen.
Bedenken, Ängste sich vereinen
mit Krise, Leid, Not, Krieges-Wahn.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Gut gewollt – auch gut bedacht ?

Menschenströme, Gram-Geleit
aus diversen Gründen,
in das Land jetzt münden,
hoffen, dass sie jederzeit,
sicher in Geborgenheit,
Heil und Glück hier finden.

Kurz ist da die Anlaufzeit,
schnell gilt’s einzuspringen,
ordnend zu bedingen,
dass trotz großer Schwierigkeit,
mancherlei Unwägbarkeit
Hilfe nicht misslinge.

Helfer, willig und bereit,
sich ganz einzubringen,
sorgen für’s Gelingen.
Doch auch Raum,Verfügbarkeit
sind begrenzt, und insoweit
muss man viel erzwingen.

Schlangen, kilometerweit,
Wut will sich entzünden,
weckend alte Sünden.
Und trotz reger Mitarbeit
ist zu lang die Wartezeit,
mag in Trübsal münden.

Weit entfernt von Frust und Leid,
sicher in den Pfründen,
lässt sich leicht verkünden,
dass das Land sei stets bereit,
mit Asyl bei Dringlichkeit
Not zu überwinden.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Gewissheit

Und dieses Frühlingstages Helle
wird Kummer, Ängsten, Sorgen wehren.
Was widerwärtig auf der Stelle,
es überschreite nicht die Schwelle,
um hier zu herrschen, zu verheeren!

Das Licht wird deinen Tag begleiten,
beschwingen dich; mit sanftem Sinn
mag dich dies Blütenlächeln leiten,
das farbig strahlt in Wiesenweiten,
des Lebens Spiel im Neubeginn.

Was nur ein Ahnen, wird Erkennen,
die Freude wächst. Der Liebe Band
lässt nimmer sich vom Lichte trennen,
preist seinen Namen, will bekennen,
dass gütig walte Gottes Hand.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Schwacher Trost

Vor verschlossenen Türen
stehen bescheiden die Kleinen,
müssen leiden und spüren,
keiner hilft, und sie führen
ein Leben zwischen den Steinen.

Wachsam lauern die Andern
hinter Gardinen und Fenstern,
wollen, dass jene wandern,
nicht vor dem Haus salbandern,
sehen in ihnen Gespenster.

Fürchten um Leib, Gut und Geld,
Angst, auch in Armut zu weilen,
die überall in der Welt
drastisch nach oben nun schnellt.
Sie wollen Habe nicht teilen.

Mammon mehrt sich bei Reichen,
weil Arme die Arbeit ja tun.
Man geht auch über Leichen,
stellt in der Ferne Weichen,
um sich luxuriös auszuruhn.

Doch nach dem Tod gebettet,
erwartet auch sie nur die Gruft.
Der Tod, der ebnet, glättet,
nichts wird rüber gerettet,
vorbei alle irdische Kluft!

© Ingrid Herta Drewing,2014

Lebensfrage

Wird alles, was hier blüht,
auch Früchte tragen?
Wird alles, was heut‘ lacht,
nicht morgen träge, müd‘
den Lauf der Zeit beklagen?

Was wähnst du, was es gibt,
wenn alle Fragen
versinken in der Nacht?
Du weißt, du wirst geliebt,
so glaub‘ des Lebens Sagen!

© Ingrid Herta Drewing,2014

Wanderer

Es leuchten Sterne dir in dunklen Nächten,
und noch in dumpfem Nebel klingt ein Ton,
ertastest dir den Weg, der dich auch brächte
zu deinem Ziel; du ahnst die Nähe schon.

Hast allen Ballast hinter dir gelassen,
erklimmst fast leicht hier jenen steilen Hang,
beginnst den Sinn der Mühsal zu erfassen,
bist weit entfernt von eitlem Geltungsdrang.

Und vieles, was dich quält‘, ward überwunden,
dem Gipfel nah, kannst du den Himmel sehen.
Du hast den Ausblick schön und klar gefunden,
darfst nebelfrei nun hier im Lichte stehen.

Erkennen,wie so weit und schön die Welt,
das Leben, das der Schöpfer hell erhält.

© Ingrid Herta Drewing