Waches Ich

Schon seltsam, wie ein hilflos kleines Ich,
aus Dunklem kommend, in sein Dasein gleitet,
entdeckt im Spiel mit Andern sein Für-Sich,
das es bewusst auf seinem Wege leitet.

Es fühlt, erfährt die Welt mit allen Sinnen,
erlebt, empfindet tief die Freude, Schmerz;
und immer wieder singt ein neu Beginnen
ihm Liebeslieder in das junge Herz.

Auch wenn dann Müdigkeit der Lebensjahre
den Körper zwingt, sich ruhiger zu verhalten,
spielt es den Revoluzzer, und das klare
Bewusstsein liebt noch immer das Gestalten.

Denkt es erinnernd auch im Alter gern zurück,
so gilt doch Gegenwart und Zukunft wach sein Blick.

© Ingrid Herta Drewing,

Sehnsucht nach dem Frühling

Forsythien-Gold und Szilla-Sterne
nun frühlingshell im Park erblühen.
Spazieren möchte ich so gerne
bei Vogelsang und Sonn-Erglühen.

Doch epidemisch wirkt das Virus,
drum halt ich Quarantäne ein,
bleib brav zu Haus, weil es jetzt sein muss
und träum‘ von Frühlings hellem Schein.

Die Fotos aus den letzten Jahren,
entschädigen den Sehnsuchtsblick,
darf hoffentlich noch Lenz erfahren,
und bau auf Zukunft, Lebensglück.

© Foto u. Text : Ingrid Herta Drewing

Zeitreise

Zeitreisen sind, das stellt‘ man fest,
doch überaus gefährlich.
Wenn man sich darauf mal einlässt,
wird vieles unentbehrlich.

Denn manches wird so sehr vermisst,
weil man daran gewöhnt,
dass die Natur uns Labsal ist,
uns hier den Tag verschönt.

Der Wünsche drei, gewährt im Traum
von einer guten Fee,
die wurden wahr, sie glaubt es kaum,
fand wieder sich am See.

Die Schotten sprechen ja von Loch,
dort sollte Nessi sein.
Ein Saurier aus dem Wasser kroch,
und sie war ganz allein.

Das riesengroße, wilde Tier,
viel höher als ein Haus,
stand tatsächlich ganz nah vor ihr,
da nahm sie schnell Reißaus .

Sie rief die Fee und wünscht‘ sich weg,
sagt‘: „ Bitte, hol mich raus!
Bring mich zurück zum Heimatfleck,
2090 steig ich aus!“

Das war wohl mit Bedacht gewählt,
denn im realen Leben
war’n ihre Tage schon gezählt,
sie würd ’s da nicht mehr geben.

Sie fand sich im Museum wieder,
sah Schüler vor Vitrinen,
in welchen man Modelle sah
von Bäumen Sonn‘ beschienen.

Sie fragten, was das Grüne sei,
das hinterm Glas zu sehen.
Ihr Lehrer, der dort stand dabei,
gab ihnen zu verstehen:

„ Das nennt man Wald“, erklärte er,
„den hat es früher mal gegeben,
bevor der Klimawandel sehr
veränderte hier alles Leben.

Man wohnte damals nicht wie heut
in Höhlen tief verborgen.
Das Sonnenlicht ward nicht gescheut;
es gab kaum Hitze-Sorgen.

Mein Großvater hat mir erzählt,
wie er als Kind dort spielte,
die hohen Bäume ausgewählt,
sich wohl im Schatten fühlte.

Die Luft sei dort so mild und rein
und wohltuend gewesen,
man konnte dort so glücklich sein,
von Sorgen, Gram genesen.“

„Warum gibt es den Wald nicht mehr,
wer hat ihn denn zerstört?“
fragte ein Schüler, atmend schwer,
es schien, er war empört.

„Die Menschen haben das getan,
zu sorglos war ihr Ruh’n,
obwohl sie Wälder brennen sah’n,
war nachlässig ihr Tun.

Die Temp’ratur stieg weltweit an,
die Trockenheit nahm zu,
Unwetter traten auf den Plan,
das Klima kippt‘ im Nu.“

„Ist das der Grund, warum wir nun
in tiefen Höhlen leben?
Kann man denn wirklich gar nichts tun,
den Wald zurückzugeben?“

Sie sah den Lehrer ratlos dort,
drum bat sie schnell die Fee,
dass sie sie bringe heim sofort,
zu ihrer Zeit sie steh‘.

Sie traf dort froh auf Wald und Feld
und war sich sehr bewusst,
jetzt konnt‘ man retten noch die Welt,
verhindern den Verlust.

Sie könnte sich zusammentun
mit Menschen gleich gesinnt,
kein Klimamuffel sollte ruh’n,
sich ändern ganz geschwind.

Damit auch noch in ferner Zeit
es Wälder, Pflanzen, Tiere gebe,
und die Natur noch halt‘ bereit
den Menschen hier ein gutes Leben.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2019

Vor dem Exit

Der längste Tag des Jahres ging vorüber,
sechs seiner Monate sind fast vorbei.
Doch vieles braucht noch einen Nasenstüber,
steht so erstarrt, als ob noch Winter sei.

Zwar singt man ab und an hier Schillers Ode,
der Neunten Schlusschor rückt ins lichte Bild,
doch nähen leichtfertig an neuer Mode
die, denen nationaler Stoff nur gilt.

Der Traum von der EU, in Gänze groß,
steht auf dem Prüfstand, stellt sich bloß,
sollt‘ doch global den Frieden mit erhalten.

Doch Ohnmacht nährt hier schwankende Gestalten,
die nur noch auf den eignen Nabel schauen,
so nicht mehr auf Europas Zukunft bauen.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing

Nachgefragt

Wie wichtig sind euch Wissen und Erkennen,
Verantwortung, Wahrhaftigkeit und Fleiß?
Wer pflegt der Macht nur hinterher zu rennen
und schwammig nichts mag da konkret benennen,
der fordert irgendwann zu hohen Preis.

Statt vollmundig in Worthülsen zu tönen,
ist Sachlichkeit, Bescheidenheit gefragt,
besonnen handeln, statt der Schau zu frönen,
sich klug verhalten, Feinde zu versöhnen,
dem Krieg abschwören, der mit Leid nur plagt.

Entscheiden, mit der Zukunft im Visier,
nicht nur den Tag erfolgreich, satt beenden.
Das Morgen unsrer Kinder haltet ihr,
wie alle, die hier leben, so auch wir,
doch heute schon, verfügend, in den Händen.

Gefragt sind Menschlichkeit und klarer Blick,
Wahrhaftigkeit gepaart mit viel Geschick.

© Ingrid Herta Drewing

Fünfundsiebzig Jahre

Version 2

Ein Wimpernschlag,
ein Augenblick!
Wo blieb die Zeit?

Ich schau zurück
auf ein erfülltes Leben
so viele Jahre Erdenglück.

Auch Leid hat es gegeben.
Jedoch das Gute überwiegt,
bewahrt in meiner Seele.

Mag auch das,
was noch vor mir liegt,
ein Schleier sanft verhehlen.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing

Beständigkeit

Version 3

Schnelllebig sind wir; mit Maschinen
wird digital der Takt bestimmt.
Wir sehen mit erstaunten Mienen
einbiegen uns auf Robot-Schienen,
sogar Zerstörung und Ruinen
verwundert ins Visier man nimmt.

Und mancher so die Zukunft schaute
in Furcht, was uns da widerfährt,
wenn Robot mimt des Menschen Laute.
Da sucht der Mensch das ihm Vertraute,
das ihm Geborgenheit gewährt.

Was welche wähnen als Verstauben
in alten Artefakten fahl,
dies finden wir als Hort im Glauben,
weil Nächstenliebe, Friedenstauben
lebendig sind trotz Ritual.

Froh feiern wir dies Fest der Liebe,
bereits Adventszeit uns gefällt,
wenn Hoffnung, dass dies Mensch sein bliebe
fern allem kalten Machtgetriebe,
uns Christus schenkt als Licht der Welt.

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing

Wiesbaden, Marktkirche, Krippe von Wolf Spemann

Rückblick

Ini,1964,Weihnachtsfeier, Kunsth._n

Das Bild der Jugend hier vor Augen,
als Leben lockte, helles Blatt,
ein Traum, der stattzufinden hat,
und vieles, was schien gut zu taugen.
Die Welt war weit und du nicht satt.

Jetzt weißt du viel, bist alt geworden
schaust lächelnd auf des Mädchens Bild,
das zärtlich und im Blicke mild
entrückt, beginnt sich da zu norden,
kaum wissend, was sein Leben füllt.
4.0M DigitalCAM

Du blickst zurück, im Lauf von Jahren
gab es dies Glück, das dich beschenkt,
von guten Mächten lieb gelenkt
ließ dich das Leben schön erfahren,
dass es trotz Leid in Freude denkt.

Der Mutter Güte, selbstlos‘ Lieben
gab Urvertrauen dir recht früh,
verlieh dir Kraft bei Kummers Hieben,
ist Lebens Richtschnur dir geblieben,
auf dass es weiterhin licht blüh‘.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Fenster

F rei für Luft und Lichtes Stunden
E s der Mauer Starre bricht.
N ur als Windaug‘ einst befunden,
S chenkt es uns heut freie Sicht.
T auscht,was beiderseits bereit,
E ngt nicht ein, hat Flügel weit,
R uft die Zukunft in die Zeit.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Ermunterung

Maiblüte_oLasst uns neu vom Frühling singen!
Ist die Welt auch trüb und grau,
weil der Politik Misslingen
nimmt in Kauf die falsche Schau.

Lasst uns nun die Sicht erneuern,
räumen, was den Blick verstellt,
wehren alten Ungeheuern
zu erobern unsre Welt!

Vieles, was im Wahn befangen,
trügt, es fehlt Vernunft und Sinn.
Hochmut züchtet Gift und Schlangen,
häutet sich je nach Gewinn.

Lasst uns hell die Zukunft malen
und entfernen Zunder, Rost!
Es sei klar, der Sonne Strahlen
taue, was noch starr im Frost!

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing