Maienlied

Des Maien Grün, der Zauber erster Liebe,
in einem Frühlingswald so lind erwacht,
als ob hier Elfen ihre Lieder schrieben,
mit Liebe, Anmut, Zärtlichkeit bedacht.

Auch Sommers Glut, des Herbstes Flammenfarben,
sie malen sich erinnernd in das Bild.
Die Träume, die in Winters Stille starben,
sie wachen auf in jedem Frühling, mild.

Sie wirken hier in wundervollen Kreisen,
und sanft erfüllen darf sie die Natur.
Wir folgen dieser Schöpfung, die so weise
auch unsrem Leben schenkt die lichte Spur.

Und hegen dieses Glück mit allen Sinnen;
im Spiel der Zeit ein stetes neu’ Beginnen.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing,
Wiesbaden, Nerotal

Aufbruch

Das Bernsteinhaus
zerbrochen, blind,
doch
auf der Schulterwunde
trug ich Anemonen.
Der Stirne Weiß
im Goldglanz der Ikonen
erlag dem Lächeln
wie dem Wind.

Nun
Rinde deckt die Schulter
und den Mai;
die Anemonenwälder
wehen im Oktober.
Ich trag
ein rotes Mäntelchen
für Zwei,
mit Flügeln,
Herbstzinnober.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing, 1967
Wiesbaden, Nerotal

Ahornbaum im Herbst

Zinnoberrot lässt der Herbst hier erstrahlen
japanischen Ahorn in leuchtendem Glanz,
bevor dichte Nebelschleier im fahlen
November verhüllen des Phönix‘ Tanz ganz.

Noch neigen sich Zweige, und Blätter schweben,
als trage in tanzendem Reigen der Wind
sie hin zum Urgrund, wo auch alles Leben
sanft, zärtlich geborgen, zur Ruhestatt find’t.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Nerotal

Ende und Beginn

Das Leben, das hier in der Endlosschleife
der Zeit in seinen Kreisen irdisch schwingt,
uns unaufhörlich trägt in Blüte, Reife,
im Welken noch von Werden, Wachsen singt,
es scheint zu bergen eine Zauberkraft,
die Phönix gleicht, sich Neubeginn erschafft.

Im weiten All mit seinen Myriaden
an Galaxien, Sternen, die bei Nacht
mit hellem Leuchten unsren Blick einladen,
wenn unser Fragen andächtig erwacht,
erscheint das Dasein hier mir als Geschenk,
und ich bin mir des Wunders eingedenk.

Wohl wissend, dass mein eignes kleines Leben
sich kurz ereignet, führt zum Ende hin,
darf ich als Glied der Kette dennoch geben
im „Stirb und Werde“ ihm den eignen Sinn.
Zwar flüstert irdisch mir die Zeit von Tod,
doch glaub‘ ich an das Licht, das ewig loht.

© Text: Ingrid Herta Drewing,2020
© Foto: Ingmar Drewing

Herbstspaziergang im Park

Es streift der Herbst durch sommermüde Fluren,
bemalt das Laub zu seinem Erntefest,
verweilt am Morgen bei den Sonnenuhren
zeitlos im Nebel, den er steigen lässt.

Jedoch am Mittag glänzen seine Bühnen!
Er schenkt der Landschaft, dieser kleinen Welt,
das Gold der Birken und den rätselkühnen
entflammten Wilden Wein, der so gefällt.

Da tanzt das Eichhörnchen im Sammelfieber,
Bucheckern, Eicheln, Nüsse sind am Platz.
Die Kinder, denen die Kastanien lieber,
sie hüten in der kleinen Hand den Schatz.

Und du im Park darfst diese Wunder schauen,
genießt die Farbenpracht, das klare Licht
und fühlst, dass noch im Abschied ein Vertrauen
von Neubeginn und Auferstehen spricht.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing, 2019

Frühlingshoffnung

Allüberall der Frühling hat
in Gärten, Wäldern, Auen
geschenkt, wo’s unlängst fahl und matt,
sein blühendes Vertrauen,
lässt seine Schönheit schauen.

Da leuchtet der Forsythien Gold
aus zartem, sanftem Grünen,
und blauer Scilla-Teppich hold
bedeckt die Wiesenbühnen,
als wollt‘ er Winter sühnen.

Magnolien zeigen Blütenpracht,
weiß rosa Kelche heben
zur Sonne hin, die nun mit Macht
ihr warmes Licht darf geben,
sich strahlend hell verweben.

Dies Bild beglückt mich; leicht mein Sinn
mag fast in Freude schweben,
seh‘ Hoffnung hier im Neubeginn,
in grünendem Bestreben
erwachen neues Leben.

©Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing, 01.04.19

Jahreswende

Heut schreibt sich Winter grau in den Kalender;
das Jahr, am Ende, tröpfelt so dahin.
Zart keimt die Hoffnung, dass sich etwas ändre,
das neue Jahr auch bringe Neubeginn.

Als sei das Neue an der Zeitenschranke,
die an Silvester sich zum Starte hebt,
mehr als ein Zeitraum, Intervallgedanke.
Es träumt der Mensch davon, so lang er lebt.

So zweigesichtig Janus um sich blickt,
wir sind es doch, die sinnend hier beginnen.
Ein jeder Tag wird neu von uns gestrickt
aus jenem Faden, den die Nornen spinnen.

Es wird nur Neues, Gutes alsdann geben,
wenn wir bewusst gestalten unser Leben.

© Foto und Text / Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Wilhelmstraße

Dezemberfrühling

Das Jahr ist alt geworden
und wartet auf sein Ende
in Kälte aus dem Norden.
Doch heut zur Sonnenwende
erscheint ’s, als ob es fände
nun hin zum Neubeginn.

Nicht nur die Tannen grünen,
geschmückt im Weihnachtsglanz,
auch auf den Wiesenbühnen
der Gänseblümchen Tanz
lässt da vergessen ganz,
wie Tage gehen hin.

Dezember zeigt sich milde,
kein Winter ist in Sicht.
In Frühlings zartem Bilde
beginnt ein wachsend Licht,
das uns ins Dunkel flicht
des Lebens Hoffnungssinn.

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing

Ende September

Als wollten sie noch lang im Sommer träumen,
obwohl es herbstet in Septembers Räumen,
so strahlen seidig golden Birken, Linden.
Im Park, befreit vom Nebelkleid, die Bäume
sich mittags hell im Sonnenlichte finden.

Natur mag hier der Landschaft Bild ergänzen,
ein farbig Blätterspiel darf licht erglänzen;
da prangen Busch und Baum noch reich belaubt,
und milde Lüfte uns den Tag kredenzen,
bevor der Spätherbst seine Schönheit raubt.

Jüngst flogen Vogelscharen in den Süden,
sie flohen wohl vor Tagen, regenmüden.
Ich sah sie ziehen, hört‘ ihr Rufen, Schreien.
Ein Abschiedslied, so schien es mir hienieden,
und dennoch auch auf Neubeginn ein Freuen.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Nerotal

Abschiedsgeschenk

Herbstsee,2014

Es malt der Herbst so farbentrunken
und wirkt dies opulente Bild
des Lebens, das nach grauem Unken
des Nebels, dessen Kraft gesunken,
im Sonnenlicht den Tag erfüllt.

Dies Spiel der Farben, Augenweide,
ein himmlisch‘ Blau blickt aus dem See,
und kräuselt Wind ihn, blinkt Geschmeide,
dort wo sonst übers Haar der Weide
den Schleier wirft die Nebelfee.

Ich schau beglückt, berauscht von Tönen
der Farben, deren warme Glut
Vergänglichkeit scheint zu verhöhnen,
hell leuchtend hier mit allem Schönen,
was die Natur verschenkt so gut.

Da liegt im Abschied schon Beginnen,
die Wiederkehr, und sei’s noch weit,
wird doch in Frühlings zartem Sinnen
erneut das Leben licht gewinnen,
und Winter weicht der neuen Zeit.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing