Lebens Kraft

Es träumt in Frühlings „Wart-ein-Weilchen“,
das Blütenköpfchen hoch gereckt,
blauäugig, herzig hier das Veilchen,
dass es der Sonne Strahl entdeckt.

Sogar in dunklen Mauerritzen,
an Gossen-Rändern, im Asphalt
sieht man so manches Pflänzchen spitzen,
ob endlich weiche Winterkalt.

Mir zeigt’s, wie unermüdlich Leben
sich sucht trotz Widrigkeit den Weg,
beharrlich will zum Lichte streben,
dieweil ich grübelnd überleg‘.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Lindenblätter auf nassem Asphalt

Auf dem Asphalt ein Aquarell
aus goldnen Lindenherzen.
Der Regen, der als Herbsts Gesell
die Blätter raubte, war zur Stell,
bereit zu rauen Scherzen.

Doch du setzt sorgsam deinen Schritt,
willst nicht das Bild zerstören.
Als teile dir der Baum hier mit,
dass man sein Herzblatt nicht zertritt,
magst du’s als Bitte hören.

Vielleicht erinnert die Natur
dich an dein endlich‘ Wesen,
und du erhoffst, dass deine Spur
erhalten bleib‘ auch, sei es nur
als Bild, das wer wird lesen.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Starke Pflanze

Als Pflanze wirst du nicht gefragt;
schnell bist du umgetopft,
mit Erde zugestopft,
egal, ob ’s dir gefällt, behagt.

Doch manche gibt’s, die wehrhaft sind;
sie sprengen Topf und Steine
und wählen ganz alleine
den Weg, wo sich das Licht befind’t.

So wachsen Löwenzahnstafetten
heraus aus jedem Spalt,
besiegend den Asphalt
mit ihren grünen Sternrosetten.

© Ingrid Herta Drewing