Ein Vormittag in meiner Straße

Früh morgens dringt durch angelehnte Fenster
der Wecker aufgeregtes Piepen,Tuten,
und es erschrecken diese Lärmgespenster
die Menschen, die noch gerne träumend ruhten.

Die ersten Autos starten bald ihr Brummen;
das Kehrmaschinchen durch die Straße klingt,
Motorradknattern, Sehnsucht nach Verstummen
hat Nachtschichtler, der um den Schlaf nun ringt.

Hell lachen Kinder, Schüler zieh’n zur Schule,
und nebenan bellt deshalb Nachbars Hund.
Es weint das Neugebor’ne der Familie Uhle.
Das währt nicht lang, das Kind ist ja gesund.

Dann wird es in der Straße fühlbar still;
ich hör’ im Garten eine Amsel singen,
bis kurz vor ein Uhr Klirren zeigen will,
dass man das Mittagsmahl zu Tisch wird bringen.

Anschließend waltet sanft des Mittags Ruh’.
Geschmeidig dehnt sich auf der Balustrade
der Kater, schnurrt und schließt die Augen zu,
ist müde von der Morgenpromenade.

© Ingrid Herta Drewing,

Kindheit im Nachkriegssommer

Wir spielten in Trümmern und staubigem Licht;
die Straße war unsere Welt,
beim Völkerball auch unser Feld.
Es war da nur selten ein Auto in Sicht;
dazu fehlte ja damals das Geld.

Wir waren noch klein, erlebten die Not
der Eltern aus anderem Blick
und fanden das kindliche Glück.
Doch brachten auch Waffenspiele den Tod,
manch Opfer durch Krieges Relikt.

Die Enge des Wohnraums trieb meist uns hinaus,
doch Freiheit konnten wir fühlen,
auf Wiesen, in Wäldern spielen.
Es hielt uns kein Gameboy, kein TV im Haus,
nichts ließ uns da neidvoll schielen.

Kein Zuckerschlecken, noch üppiger Schmaus!
Der Hunger hieß uns oft warten;
Gemüse aus Opas Garten
und Früchte trugen wir dankbar nach Haus,
ein frugales Mahl zu starten.

Im Sommer gab’s Graubrot, Zwiebeln, Tomaten
mit Salz, das konnt köstlich munden.
An Herzkirschen, prallen, runden,
den selbst gepflückten, wir uns gütlich taten
in unbeschwerten Stunden.

© Ingrid Herta Drewing,2014