Das Faultier

Ein Faultier hing an einem Baum,
vertieft in seinen Urwaldtraum.
Das reizte einen flinken Affen,
rief: “He, hast du denn nichts zu schaffen?
Mir scheint, du bist von dem Getier
mit Abstand wohl das faulste hier!“

Das Faultier langsam hob die Lider,
sah an den Affen, schloss sie wieder
und murmelte: “Lass mich in Ruh,
ich muss nicht wuseln so wie du,
da ich auch sehr genügsam bin!
Ich sag dir meines Lebens Sinn:
In der Ruhe liegt die Kraft.
So mancher wie die Bienen schafft
und kann sein Leben nicht genießen.
Die Zeit wird ihm gar rasch verfließen,
und eh der Schaffer sich versieht,
ist ihm sein Leben schon verblüht.“

Der Affe stand da, staunend, stumm,
und dachte: Das ist gar nicht dumm;
selbst von dem Faultier kann man lernen.
Jetzt werd’ ich mich diskret entfernen.

© Ingrid Herta Drewing, 2009

Sprichwörtliches abgeklopft

Das bringt das Fass zum Überlaufen,
da geht der Krug zum Brunnen, bricht,
es ist ja wohl zum Haare raufen,
das letzte Hemd gilt es zu kaufen,
denn Geiz ist geil, Konsum fast Pflicht.

Der Wirtschaftskreislauf soll florieren,
auch wenn dein Geld dort flöten geht,
weil die Börsianer spekulieren
und digital schnell transferieren,
was sonst durch Arbeitskraft entsteht.

Du träumst von einem Haus mit Garten,
ziehst in die Mietskaserne ein:
Beruflich in der Großstadt starten,
verlangt von dir so manches Warten,
wenn deine Einkünfte sind klein.

Den Letzten beißen stets die Hunde,
der frühe Vogel fängt den Wurm,
lehrt uns des Sprichworts fromme Kunde.
Jedoch siehst du wohl in der Runde:
Wer viel besitzt,der trotzt dem Sturm.

© Ingrid Herta Drewing,2017

Ein unmoralisches Angebot

(Zum Vorhaben, Müll des AKW Stade
auf der Wiesbadener Deponie abzuladen)

„Lässt du mein kleines Pförtnerhaus
nun weiter bei dir strahlen?
Auch der Kantine Schutt muss raus,
ich werd’s dir gut bezahlen?“

„Die Niedersachsen wollten’s nicht
und haben sich gewehrt,
auch Sachsen sagte nur „Verzicht“,
die Last sei dort verkehrt.

Auch wir entsagen gar zu gern
dem Geld für deinen Müll,
such dir im Untergrund,tief, fern
ein Lager für’s „Idyll“!

Die Wasser der Matthiaker,
sie sollen sauber fließen!
Wiesbaden muss als Weltkurstadt
solch „ Angebot“ ausschließen!

© Ingrid Herta Drewing,2015

Lärmbelästigung

Hier in meiner Stadt,
in Waldesnähe wohnend,
könnte es schön sein.

Doch Silbervögel
fliegen im Minutentakt
vom und zum Airport.

Ist der Wind günstig,
höre ich sie nur grummeln
auf meinem Balkon.

Aber an manchen Tagen
hallt dauerhaft ein Donnern.

© Ingrid Herta Drewing

Das Faultier

Ein Faultier hing an einem Baum,

vertieft in seinen Urwaldtraum,

da kam im Sprung heran ein Affe,

rief:“ He, hast du denn nichts zu schaffen?

Mir scheint, du bist von dem Getier

mit Abstand wohl das faulste hier!“

Das Faultier langsam hob die Lider,

sah an den Affen, schloss sie wieder

und murmelte:“ Lass mich in Ruh,

ich muss nicht wuseln so wie du,

da ich auch sehr genügsam bin!

Ich sag dir meines Lebens Sinn:

In der Ruhe liegt die Kraft.

So mancher wie die Bienen schafft

und kann sein Leben nicht genießen.

Die Zeit wird ihm gar rasch verfließen,

und eh der Schaffer sich versieht,

ist ihm sein Leben schon verblüht.“

Der Affe stand da, staunend, stumm,

und dachte: Das ist gar nicht dumm;

selbst von dem Faultier kann man lernen.

Jetzt werd’ ich mich diskret entfernen.

Ingrid Drewing