Spätherbst

Und still ruht nun das Tal,
gehüllt in Nebelnacht.
Die Bäume stehen kahl,
denn Spätherbst hat die Pracht
der Blätter längst genommen.

Die Krähen, die gekommen,
als schwarze Schatten thronen
im nassen Baumgeäst.
Wenn Winter naht, sie wohnen,
versammelt wie zum Fest,
besiedeln hier die Kronen.

Der Futtersuche Lohnen
verspricht des Menschen Nähe,
der dort gleich vor der Stadt
den großen Müllberg hat.
Da lässt sich viel erspähen;
die Krähen werden satt.

Im Morgenlicht, das fahl,
durch Nebelschleier sacht
in meine Augen dringt,
wirkt dies‘ Bild als Fanal,
wie dunkler Vögel Macht,
sanft überm Abfall schwingt.

© Ingrid Herta Drewing, 2013

Frühlingsfern

Hier hält ein eiskalter Morgen
gefangen der Freude Licht;
im Wolkengrau, tief verborgen,
verhüllend das klare Gesicht.

Verstummt auch das Lied,das süße,
das sonst im Frühjahr erklang.
Der Krähen krächzende Grüße
verhallen noch winterbang.

Und dünnfingrig greifen Bäume
mit matten Zweigen ins Grau;
kein reges Knospen, nur Träume
von blühender Frühlingsschau.

© Ingrid Herta Drewing