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Kondensstreifen

Sie zeichnen ihre weißen Streifen

schnell in des Himmels helles Blau,

als wollten sie Besitz ergreifen

von diesem Raum, klar und genau.


Doch so wie Menschenwerk auf Erden

nur für gewisse Zeit besteht,

verblasst dies Zeichen schon im Werden,

bevor es ganz im Blau vergeht.

Ingrid Drewing

Barockgarten

Gesäumt vom Dunkelgrün

aufragender Zypressen

führt hin in weißem Kies

der Weg zum Schloss.

Hier wirkt die Ratio, kühl;

wer einstmals dies besessen,

Klarheit genoss.


Doch schuf er sich auch hier

geheimnisvolle Orte:

Ein Buchsbaumlabyrinth

führt in die Irre,

Springbrunnen, ihrer vier,

senden auf laute Worte

Fontänen in den Wind,

dass es verwirre.


Und hinter Mauerhecken

ganz plötzlich Steingestalten,

die Nymphe und der Faun,

dich frech anschauen,

du sollst erschrecken,

erfahren dunkles Walten,

ein leises Grauen.


So wie der Tod das Leben

heraus aus hellem Blühen

mit kalter Hand ergreift,

hinab ins Dunkel schleift,

so sollst du hier erbeben

und wahrhaft dich bemühen,

nach Edlem streben.

Ingrid Drewing

Tageslauf

Der Tag trägt heut ein graues Kleid,

zeigt mürrisch uns sein Angesicht,

selbst in der frohen Frühlingszeit

mag er sich manchmal wirklich nicht.


Die Sonnenbraut hat ihn verlassen,

sie, die ihm kürzlich noch so hold

mit liebem Blick ihr Herz gelassen,

verweigert ihrer Strahlen Gold.


Doch Sturmwind hat sich eingefunden,

will mit ihm um die Häuser ziehen,

und Regen mischt sich in die Runde

zum Trost, ein mannhaftes Bemühen.


Dann ist es klar, der Wolken Wuseln

hatte von Sonne ihn getrennt.

Nun, da sie weg sind, darf er schmusen

mit seinem hellen Element


Ingrid Drewing

Einsames Glück

Einsam lebend in der Stille

höre ich der Tage Klang,

eines Menschenlebens Fülle

strahlt im Schwanen-Abendsang.

Immer noch ein sanftes Sehnen

in der lenzbeglückten Zeit,

alle Sinne schauen Schönes,

das die Erde hält bereit.

Zart keimt auch ein leises Hoffen,

dass dies irdisch’ Glück noch währt;

scheint mir doch der Himmel offen,

wenn das Leben mich betört.

Ingrid Drewing

Kindheit

Oh ,Kind sein , Leben im Bewegen

und Staunen , was die Welt verspricht.

Ein jeder Tag , ein Farbensegen ,

es sieht mit wachem Augenlicht.


Ja , Kind sein , wenn es wohl geborgen,

den Tag , die Stunde frei verträumt;

noch fern sind der Erwachs’nen Sorgen ,

noch keine Pflichten , die versäumt .


Vertraut mit Pflanzen und mit Tieren ,

ein Garten , hell ,die kleine Welt ,

erobert erst auf allen Vieren ,

dann aufrecht ,schauend, was gefällt.


Mit viel Geschick etwas erbauen

aus Steinen oder auf Papier ,

der eignen Kraft im Spiel vertrauen ,

mutig erkundend das Revier.


Im Reich der Phantasie obsiegen,

im Märchen und auf hoher See ;

Piraten , die auf Meeren fliegen ,

Prinzessinnen , so weiß wie Schnee.


So schön , so zart , so müsst sie währen ,

doch bleibt sie uns nur kurz , die Zeit ,

in der wir reinen Sinnes ehren ,

was uns die Schöpfung hält bereit.

Ingrid Drewing

Hochmut

Wir Menschen, die wir schwach und zagend sind
und dennoch glauben, stolz, vermessen,
wir könnten schwebend wie ein Blatt im Wind ,
mit Wissen achtlos spielend wie ein Kind,
die Rätsel dieser Welt ermessen.

Der Schöpfung wundervolle Fülle
zerstören wir und greifen planend ein,
gentechnisch, heimlich in der Stille,
gewahrt wird Ethik nur als Hülle.
Der Mensch als Macher regelt das Design.

Wie schnell verliern wir aus den Augen
den Blick, der offen, der uns Demut lehrt,
dass wir hienieden nur dann taugen,
wenn wir die Milch der Liebe saugen,
und nicht der Hochmut trotzig in uns gärt.

Ingrid Drewing

Frühlingshoffnung

Noch lag des Winters Kuss
dir eisig auf den Wangen ,

da reifte dein Entschluss,
den Frühling zu empfangen.

Denn du, Prinzessin Erde ,
gar wählerisch und fein,
du sagst so gern, es werde
und lädst dir Gäste ein.

Begrüßt der Vögel Scharen,
lachst lind im grünen Wald,
an Quellen, sprudelnd klaren,
erfreust du dich schon bald.

Bei frohen , leichten Tänzen
und zarter Blüten Duft
wirfst du beglückt in Kränzen
dein Lächeln in die Luft.

In Frühlings Armen liegen
wirst du als schöne Braut
und neues Leben wiegen,
wie wir es nie geschaut .

Ingrid Drewing

Alles ist relativ / Kindermund

Vier Frauen saßen nett beisammen,
erzählten sich so dies und das,
von Liebe auch und neuen Flammen,
von Paaren , kurz den neuesten Tratsch.

„Stellt euch mal vor , die Katharina,
die mit dem tizianroten Haar ,
geht jetzt mit einem jungen Wiener,
der ist gerad‘ mal 20 Jahr! „

„Der könnt‘ ihr Sohn sein !“,meinte Ria.
„Ist sie nicht 40 ?“ , fragt’s empört.
„Das ist wie bei der Schickeria.—
In unsren Kreisen unerhört !“

Und während man nun noch sinnierte,
wie Altersunterschiede sind,
vergaß man ganz , denn es studierte
ein Bilderbuch ,das Vorschulkind.

Doch plötzlich lautstark war’s zur Stelle,
verschämt erstarb der Schnattermull.
Das Kind sprach:“Wenn ich’s mir vorstelle,
ich bin dann 20 ,er ist Null !“

Ingrid Drewing

Optische Täuschung

Eschers Bilder

Und deine Bilder,
die des Auges Blicke streifen,
es gaukelnd leiten zu verwirrter Sicht,
verzaubern,
lassen uns in Räume schweifen ,
die wir erschauen,aber fassen nicht.

Denn immer,wenn wir meinen,recht zu sehen,
erkennen wir,uns blendet nur der Schein,
und alles wissende Verstehen
entlässt uns fragend nach dem wahren Sein.

So ist’s mit vielem,was wir kühn behaupten;
es löst sich auf , ist Schall und Rauch.
Wir bleiben Suchende, selbst wenn wir glaubten
am Ziel zu sein, zu wissen auch
.

Ingrid Drewing

Wende

Bevor er in der Häuser Flucht verschwand,
sah sie noch seines Atems Hauch im Wind;
die Augen tränenmüd , ein traurig Kind ,
verbarg sie ihre ausgestreckte Hand .

Die Hand, die er zum Abschied kurz gehalten,
als er ihr sagte , es sei Zeit zu gehn.
Was für ein Leben lang einst sollte halten,
das sah sie nun so kümmerlich vergehn.

Doch wandte sie sich um und schritt voran.
Und dann, obschon im Innersten erstarrt ,
sah sie das Kind lieb lächelnd an;
die Zukunft rief sie in die Gegenwart .

Ingrid Drewing