Archive for Januar 2009

 
 

Alles ist relativ / Kindermund

Vier Frauen saßen nett beisammen,
erzählten sich so dies und das,
von Liebe auch und neuen Flammen,
von Paaren , kurz den neuesten Tratsch.

„Stellt euch mal vor , die Katharina,
die mit dem tizianroten Haar ,
geht jetzt mit einem jungen Wiener,
der ist gerad‘ mal 20 Jahr! „

„Der könnt‘ ihr Sohn sein !“,meinte Ria.
„Ist sie nicht 40 ?“ , fragt’s empört.
„Das ist wie bei der Schickeria.—
In unsren Kreisen unerhört !“

Und während man nun noch sinnierte,
wie Altersunterschiede sind,
vergaß man ganz , denn es studierte
ein Bilderbuch ,das Vorschulkind.

Doch plötzlich lautstark war’s zur Stelle,
verschämt erstarb der Schnattermull.
Das Kind sprach:“Wenn ich’s mir vorstelle,
ich bin dann 20 ,er ist Null !“

Ingrid Drewing

Optische Täuschung

Eschers Bilder

Und deine Bilder,
die des Auges Blicke streifen,
es gaukelnd leiten zu verwirrter Sicht,
verzaubern,
lassen uns in Räume schweifen ,
die wir erschauen,aber fassen nicht.

Denn immer,wenn wir meinen,recht zu sehen,
erkennen wir,uns blendet nur der Schein,
und alles wissende Verstehen
entlässt uns fragend nach dem wahren Sein.

So ist’s mit vielem,was wir kühn behaupten;
es löst sich auf , ist Schall und Rauch.
Wir bleiben Suchende, selbst wenn wir glaubten
am Ziel zu sein, zu wissen auch
.

Ingrid Drewing

Wende

Bevor er in der Häuser Flucht verschwand,
sah sie noch seines Atems Hauch im Wind;
die Augen tränenmüd , ein traurig Kind ,
verbarg sie ihre ausgestreckte Hand .

Die Hand, die er zum Abschied kurz gehalten,
als er ihr sagte , es sei Zeit zu gehn.
Was für ein Leben lang einst sollte halten,
das sah sie nun so kümmerlich vergehn.

Doch wandte sie sich um und schritt voran.
Und dann, obschon im Innersten erstarrt ,
sah sie das Kind lieb lächelnd an;
die Zukunft rief sie in die Gegenwart .

Ingrid Drewing

Wintergedanken

Der Winter hat sie aufgefressen
die pralle , runde Lebenskraft.
Es liegt ein lähmendes Vergessen
auf allem , was sonst sprudelnd schafft.

Der Mensch , der zwar in Wärme lebt,
wirkt irgendwie auch eingefroren,
im Mantelgrau,dick eingewebt,
im Pelz versteckt den Kopf,die Ohren.

Noch deckt der Schnee die kahlen Bäume,
die einsam dort am Wege stehn.
Es sind nur zarte Frühlingsträume,
Schneeglöckchen, die wir einzeln sehn.

Doch wissen wir , hier wird gar bald
die Welt erglühn im Farbenklang,
und singen wird der Frühlingswald,
ergrünend blühn im Vogelsang.

Ingrid Drewing

Winterspaziergang

Gedämpft sind meine Schritte,
sanft rieselnd fällt der Schnee.
Wie eine stumme Bitte
liegt eiserstarrt der See.

Durch einen Vorhang schreite
ich einsam in der Stille ,
empfinde diese Weite
beglückt als Teil der Fülle

Des Lebens, das im Träumen
nun sammelt neue Kraft
und bald in Frühlings Räumen
erneuernd sich erschafft.

Ingrid Herta Drewing

Wintertag

Ja , staunend steh ich wieder ,
Natur ,in deinem Garten.
Der Winter ,fern der Lieder,
lässt Frühlingsträume warten.

Doch schon zeigt sich geschäftig
ein schwarzer Amselmann,
sucht Futter , dass er kräftig
im Frühling singen kann.

Dort auf dem Teich die Enten
ziehn schnatternd übers Eis,
ergattern Futter , Spenden,
das Kind wirft’s zu mit Fleiß.

Und rote Abendsonne,
malt alle Himmel an.
Ich schaue froh gesonnen,
was Künstler Winter kann.

Ingrid Drewing

Alter Baum

Das Jahr geht gar zu schnell zur Neige;

schon steht November nebelmüde da.

Die letzten Blätter klammern sich an ihre Zweige

und zittern fröstelnd , wenn der Rauhreif nah.


Es fällt so schwer , den Sommer loszulassen ,

die Winde rütteln rau den alten Baum

und rauben ihm an Tagen , regennassen ,

das feuchte Kleid , er wehrt sich kaum .


Sodann die Nebelkräh’n in großen Scharen

bevölkern sein geplündertes Geäst;

er zeigt sich raugereift mit grauen Haaren,

erduldet noch der Vögel lautes Fest.


Es währt nur kurze Zeit , sie ziehen

hin zu den Feldern an den nahen See.

Den alten Baum erfreut ihr flatternd Fliehen ,

er wartet nun geduldig auf den ersten Schnee.


Bald im Dezember bringt ein sanfter Morgen

den weißen Schneepelz ,und zur Nacht

fühlt sich der alte Baum in ihm geborgen ,

gehüllt in weiche  Glitzerpracht .


Nun ruht auch er und mag wohl träumen

vom Leben nach der stillen Zeit,

wenn ihm im lichten Frühlingsschäumen

neu wächst ein zartes , grünes Kleid.


Ingrid Drewing


Die Rechte und die Verantwortlichkeit für dieses Gedicht liegen beim Autor (Ingrid Drewing).

Sprache

Sprache,du Wasser des Lebens,
bist uns ein Gottesgeschenk,
wir dürfen in dir mitweben,
der Gnade kaum eingedenk.

Doch deinen Klängen erliegen
wir, lauschend der Worte Sinn.
Sprache, in dir wahr sich wiegen
Gedanken Jahrtausende hin.

Zauberst uns Welten und Träume,
dem inneren Auge beschert ,
wie Yggdrasil Lebensbäume
und sokratisches Fragen ,gelehrt.

Bist vielen der stummen Wesen
der lebende, sprechende Mund.
Wir glauben in Worten, lesen
uns, in dir auch wirkend,gesund.

Ingrid Drewing

Ausblick

Es ist getan,
die Räume sind durchschritten,
geblieben nur das Fragen
nach Sinn und Leben , Pflicht.
Von allem,was durchlitten,
nährt, dich erinnernd , Wagen
und Hoffen auf das Licht.

So viel Verlieren,Finden und Verirren,
der Schmerz,die Süße ,das Gefühl
der Liebe,ihr Erblühn trotz aller Wirren
und Fesseln in des Nebels Pfühl.

Zum klaren Brunnen noch gelangen
und trinken von der Frische Quell,
von dem die alten Lieder sangen,
sein Wasser wecke Leben ,hell.

Möge die Quelle nie versiegen!
Sie sprudeln sehen ,ganz vertraun,
und trinkend ihr zu Füßen liegen,
will ich der Klarheit Licht erschaun.

Ingrid Drewing

Hirtenlied

Zeit der strahlenden Sterne ,
gebärend im Dunkel das Licht.
Ein Klingen lockte von ferne

wir ahnten , wussten es nicht.

Den Engel , der uns erschienen,
als wir am Feuer gewacht,
sahn wir mit ängstlichen Mienen,
er stand in flammender Pracht.

Er sprach von Freude und Frieden
für uns und alle Armen .
Der Heiland , er sei hienieden ,
Erlösung sein Erbarmen.

Wir fanden , wie verhießen ,
im Stall bei Esel und Rind

und Engeln , die es priesen,
das kleine Christuskind.

Dies Kind lässt uns erschauen
der Liebe hellen Schein
und schenkt uns Gottvertrauen.

Wir sind nicht mehr allein.

Ingrid Drewing