Archive for the Category Menschen

 
 

Indianerschlaf

Einschlafen soll er, mag noch nicht,

möcht’ bei den andern bleiben.

Sein Bruder, dieses Bleichgesicht,

darf länger noch aufbleiben.


Und da soll Häuptling große Zeder

ins Bett schon, in die weichen Federn?

Er schleicht sich aus dem Wigwam raus

und kundschaftet nun alles aus.


Aha! Erwischt! Sie sehen fern.

Den Film, den sieht er auch recht gern.

Hier hinterm Sessel, gut versteckt,

wird er ganz sicher nicht entdeckt.


„Ach, dies Programm ist gar zu öde!

Ich schalt’ es aus, sonst noch verblödet

der Späher hinter meinem Sessel.

Ich werd’ ihn fangen und gleich fesseln.“


Der Vater schnappt den Häuptling sich,

trägt ihn ins Bett und schimpft doch nicht.

Liest vor von Bären und Schoschonen,

Indianern, die in Wäldern wohnen.

Und langsam holt der Schlaf sie ein,

den Vater und sein Söhnelein.

Ingrid Herta Drewing

Sprachlos

Schon dreimal war er um den Block gefahren. Wie sollte er es ihr nur sagen?
Der sichere Arbeitsplatz, wie sie ihn alle Jahre genannt hatten, den gab es nicht mehr, betriebsbedingte Kündigung! Seit drei Monaten schleppte er diese Bürde mit sich herum, belog er sie, indem er morgens, wie gewohnt , um sechs Uhr aus dem Haus ging und die vermeintlichen 35 km zur Arbeit fuhr. Stattdessen bemühte er sich darum, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Von seinem Sparbuch, das er für besondere Überraschungen , Geburtstage, Weihnachten und Urlaub heimlich angelegt hatte, überwies er regelmäßig Beträge in der Höhe seines Monatsgehalts auf das gemeinsame Konto. Ja, er hatte an alles gedacht.
Er wollte es ihr erst dann beichten, wenn er wieder eine neue Anstellung hatte.Vor kurzem war sie von einer schweren Krankheit genesen, wie konnte er ihr da mit dieser Hiobsbotschaft kommen.
„In ihrem Alter wird es schwer sein, in diesem ohnehin strukturschwachen Raum einen neuen Arbeitsplatz in ihrem Beruf zu finden“, hatte man ihm unmissverständlich gesagt. 45 Jahre und zu alt! Hatte er nicht all die Jahre hervorragende Arbeit geleistet, und nun waren plötzlich nur noch Zwanzigjährige gefragt! Das soll mal einer verstehen!
Aber alles Sinnieren nutzte nichts, er musste sich eingestehen, dass er hier so schnell keine neue Arbeit finden würde. Er musste es seiner Frau endlich sagen; denn die Raten für das Häuschen würden sie auch nicht weiter bezahlen können. Auch waren seine Ersparnisse fast aufgebraucht.
Langsam schloss er die Wohnungstür auf. Sie erwartete ihn bereits lächelnd am Tisch. “Schön, dass du etwas früher nach Hause gekommen bist. Die Kinder sind noch auf dem Sportfest; so sind wir ungestört.Setz dich doch bitte! Ich habe nämlich etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.“ „Ich auch mit dir“, sagte er leise und setzte sich zu ihr an den Tisch.“

Ingrid Drewing

Barockgarten

Gesäumt vom Dunkelgrün

aufragender Zypressen

führt hin in weißem Kies

der Weg zum Schloss.

Hier wirkt die Ratio, kühl;

wer einstmals dies besessen,

Klarheit genoss.


Doch schuf er sich auch hier

geheimnisvolle Orte:

Ein Buchsbaumlabyrinth

führt in die Irre,

Springbrunnen, ihrer vier,

senden auf laute Worte

Fontänen in den Wind,

dass es verwirre.


Und hinter Mauerhecken

ganz plötzlich Steingestalten,

die Nymphe und der Faun,

dich frech anschauen,

du sollst erschrecken,

erfahren dunkles Walten,

ein leises Grauen.


So wie der Tod das Leben

heraus aus hellem Blühen

mit kalter Hand ergreift,

hinab ins Dunkel schleift,

so sollst du hier erbeben

und wahrhaft dich bemühen,

nach Edlem streben.

Ingrid Drewing

Mütter

Ihr Mütter, alle hier auf Erden,
verschieden, gleicht ihr euch doch sehr.
Ihr hütet sorgsam neues Werden,
und täglich wächst die Liebe mehr.

Das Kind, das ihr ans Herz geschmiegt,
als Liebstes zart gebettet,
lind in den Schlaf, sanft singend, wiegt
und aus Gefahren rettet.

Dies Kind lässt Leben euch verstehen,
weckt euch, in eurer Liebe
die Welt mit ihm ganz neu zu sehen
bei Sonnenschein und Trübe.

Weil Lebenshüterin ihr seid,
verdammt ihr auch die Kriege,
den Hader und des Todes Leid,
all jene falschen Siege.

Geeint die Welt im Kinderglücke,
ein bunter Lebensgarten,
ihr, Mütter, bildet hier die Brücke,
die sehnend wir erwarten!

Ingrid Drewing

Einsames Glück

Einsam lebend in der Stille

höre ich der Tage Klang,

eines Menschenlebens Fülle

strahlt im Schwanen-Abendsang.

Immer noch ein sanftes Sehnen

in der lenzbeglückten Zeit,

alle Sinne schauen Schönes,

das die Erde hält bereit.

Zart keimt auch ein leises Hoffen,

dass dies irdisch’ Glück noch währt;

scheint mir doch der Himmel offen,

wenn das Leben mich betört.

Ingrid Drewing

Amateur

Noch immer sind es zarte Töne,

die lieblich unser Herz entzücken,

in Worten uns oft tief beglücken,

da wir doch lieben alles Schöne.


Das Leben gibt sich oft recht nüchtern,

verschreibt sich meist Realem nur,

doch mancher taffe Mensch wird schüchtern,

wenn er ist auf der Liebe Spur.


Dann drängt es ihn zu süßen Worten,

da Sehnsuchtsfühlen in ihm wallt ;

er sucht romantisch sich zu orten

und findet dichtend seinen Halt.


Der Literat, modern, ihn dauert

der Dilettant als armer Tropf,

der auch noch reimt, harmonisch schauert

in Bildern, die ihm nur ein Kropf.


Doch kennt der Amateur die Freude,

die ihm romantisch Schönes gibt;

nur Bilder, reimlos ihm bedeuten

zu wenig, weil er Klänge liebt.


Im Hain Apolls, dem Musentempel

findet ein jeder seinen Platz,

und was dem einen Wörterkrempel,

hütet ein andrer wohl als Schatz.

Ingrid Drewing