Archive for Oktober 2021

 
 

Aufbruch

Das Bernsteinhaus
zerbrochen, blind,
doch
auf der Schulterwunde
trug ich Anemonen.
Der Stirne Weiß
im Goldglanz der Ikonen
erlag dem Lächeln
wie dem Wind.

Nun
Rinde deckt die Schulter
und den Mai;
die Anemonenwälder
wehen im Oktober.
Ich trag
ein rotes Mäntelchen
für Zwei,
mit Flügeln,
Herbstzinnober.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing, 1967
Wiesbaden, Nerotal

Herbst im Park

Nun, da nach Herbstes Nebel-Wallen
der Mittags-Sonne warm Gebot
hell leuchtend in den Bäumen loht,
will der Spaziergang mir gefallen;
noch scheint vom Welken nichts bedroht.

Da schimmert Blattgold in den Birken,
und rot erglüht der Ahorn-Baum;
an der Romantik-Brücke Saum
darf er dies schöne Bild bewirken,
Vergänglichkeit als Farbentraum.

Ist ’s auch ein Abschied, der gegeben;
es spielt im Jahreskreis Natur,
lässt hier auf farbenfroher Spur
ein Loblied singen, preist das Leben,
verheißt schon fernen Frühlings Flur.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Herbst in Deutschland

Die Kraniche nach Süden ziehen,
manch‘ Sehnsuchts-Blick mag sie begleiten.
Man zöge gern mit ihnen fort,
jetzt, da hier nahen kühle Zeiten,
dem Frost, dem Nebel zu entfliehen
an einen wohlig warmen Ort.

Ja, Sommertage sind verronnen,
doch Maler Herbst lädt ein, zu träumen.
Die Galerie in Wald und Feld,
im Park, wo er in Busch und Bäumen
mit seinem Farbenspiel begonnen,
uns präsentiert die schöne Welt.

Da will ich nicht an Abschied denken,
vergesse Trübsal, böses Unken,
genieße, was so unverstellt
im Licht erglüht, und farbentrunken
erfreu ich mich an den Geschenken,
die uns Natur bereit hier hält.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Am Rambach

Herbstmittags Stille,
Blätter flüstern im Bach-Blau,
ein himmlisch Geschenk.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Blick aus dem Fenster

von Ingrid Herta Drewing

Taschenbuch, 148 Seiten
ISBN: 9783754102923 / 11.99€
Blick aus dem Fenster,
im realen und übertragenen Sinn verstanden, lädt auf poetische Weise zu erweiterter Schau des Lebens ein
In vielfältigen Gedichtsformen lässt die Autorin die Impressionen des lyrischen Ichs aufscheinen.
Sowohl die Schönheit der Natur und ihre Vergänglichkeit als auch Facetten des menschlichen Lebens werden in den Blick gerückt.
Dabei wird auch die Erfahrung mit der Pandemie nicht ausgespart.
Dennoch ist dieses Buch von einer positiven Grundstimmung getragen und animiert zum Innehalten.
Farbfotografien ergänzen die Texte.

Herbst-Beschaulichkeit

Der Regen malt mir Muster auf mein Fenster,
und Tropfen perlen, tanzen trüb im Licht.
Zwar wichen Nebelmorgens Grau-Gespenster,
doch Dauerregen sieht sich in der Pflicht.

Da schätz‘ ich mein gemütliches Zuhause,
das warme Leuchten, das im Stövchen glimmt;
und ich genieße Tee, gönn‘ mir die Pause,
das trübe Wetter mich beschaulich stimmt.

Wenn ’s draußen dräut, fühl‘ ich mich drin geborgen,
entfliehe Kälte, folg dem schönen Klang
der Poesie und hör‘ an solchem Morgen
Musik, Konzerte, Opern, Kunstgesang.

Auch wenn das Wetter sollte schaurig walten,
vermag ich’s, mir mein Leben zu gestalten.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Oktobergold

Verhüllt von Nebel die Konturen,
in stummem Schlaf die Landschaft liegt,
wo, flüsternd über feuchten Fluren,
das Licht getrübt im Grau versiegt.

Die Sonne kann nur kraftlos scheinen.
Jedoch am Mittag gilt Gewinn,
wenn sich die Strahlen hell vereinen
und raffen Nebels Macht dahin.

Dann schimmert Blattgold in den Zweigen,
es leuchtet rot der Amberbaum,
und zärtlich tanzt im Blätterreigen
der Herbst, entführt in sanften Traum.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Am Warmen Damm,
„Spielende Hengste“,1963, Bronze v. Gerhard Marcks

Tag der Deutschen Einheit

In jener Nacht, als feste Mauern fielen,
die viele schreckten, manche stumm gemacht,
da durfte dieses Bild von Einheit zielen
auf alles, was gemeinsam war, hier spielen
mit Jubel, Freudentränen, neu erwacht.

Es lagen sich die Menschen in den Armen.
Man konnte wieder Bruder, Schwester sein,
und keiner klagte da in neuem Carmen;
denn Glück und Hoffnung schenkten ihren warmen,
wohligen Mantel, der uns hüllte ein.

Der Deutschen Einheit neu nach so viel Jahren,
sie kam uns vor, als sei‘ s ein schöner Traum,
und mancher war sich deshalb nicht im Klaren,
dass Änderungen folgen; ein Bewahren
von allem lieb Gewohnten gab es kaum.

Wo Planwirtschaft bestimmte einst das Sagen,
da sollte es nun rasch Kapitalismus sein.
Mit DM schwoll so manchem da der Kragen,
Konsum bestimmte, schnell ließ sich was wagen,
manch‘ Existenzen blühten, andre brachen ein.

Schon dreißig Jahre sind ins Land gegangen,
seit Ost und West sich wieder zugesellt.
Die Wirtschaft wuchs, und man darf doch verlangen,
dass trotz Corona wir im Land erlangen
für gleiche Arbeit gleiches Lohn-Entgelt!

Politisch ist man weiter fortgeschritten.
die Kanzlerin, im Westen reüssiert‘,
aus Hamburg und Meck-Pomm, wohl unbestritten,
wird weltweit anerkannt und gut gelitten,
seit vielen Jahren sie nun schon regiert.

Doch droht erneut ein Wahn das Land zu spalten,
es wächst die Kluft, trennt hart hier arm und reich.
Und aus dem Riss da kriechen hoch die alten
von Fremdenhass vergrätzten Spukgestalten,
tun ’s Nationalisten andrer Länder gleich.

Mir scheint, die Macht der Neoliberalen,
die Bankenkrise, hat dazu geführt,
dass (zudem wegen hoher Flüchtlingszahlen)
sich viele EU-Bürger schwarz ausmalen,
man würd‘ auch falsch von Brüssel aus regiert.

© Text: Ingrid Herta Drewing, 2020

Auf dem Balkon

Kühler Herbstmorgen,
warm in die Jacke gehüllt,
schaue ich hinaus.

Die Sterngesichter
der kleinen Aster grüßen
die letzten Rosen.

Auch Chrysanthemen
trotzen mit Farbgesängen
dem Grau der Wolken.

© Fotos u.Text: Ingrid Herta Drewing

Wenn Wirklichkeit auf Sprichwörter trifft

Morgenmuffel

Neulich nachts ging’s bei ihm rund,
ja, das Fest war reichlich bunt.
„Morgenstund hat Blei im Bauch“,
das tat Peter auch dann kund,
als man ihm, wie’s halt so Brauch,
sagte, sie hab‘ Gold im Mund.
*
Notlage

„Not kennt keinen Bahnhof“,
sagte Winkelmann,
als ihn Schaffner Kahnschwof
traf beim WC an.
„Ist man echt in Not,
wirkt kaum ein Gebot.“
*
„Der frühe Vogel fängt den Wurm!“,
so Meister Kurt Klein-Klaus belehrt.
Klaus meint: “Die Amsel auf dem Turm,
die sucht dort aber früh verkehrt,
denn Würmer gibt’s nur in der Erd‘.“

© Foto u.Text: Ingrid Herta Drewing,