Der Grünfink und der Spatz

Ein junger Grünfink traf den Spatz,
der sich die Pfütze hatt’ als Platz
für ’s morgendliche Bad gesucht.
Sehr amüsiert von dem Besuch
spritzt er das Vogelkind nun nass.

Es fragt ihn drum, was er da mache.
Sich reinigen, sei seine Sache
und spottend rät er ihm sodann:
„Das solltest, Kleiner, du auch machen,
viel grüne Farb’ hängt an dir dran!“

Der Grünfink sehr verwundert schaut.
Die Farbe ist ihm wohl vertraut
schon seit den Schlüpfungszeiten.
„Ich will nicht mit dir streiten;
doch sieh’ einmal, dein brauner Dreck
geht auch nicht durch dies Wasser weg,
nur nass wirst du dabei.“

Der alte Spatz gerät in Wut,
schimpft ihn nun einen Tunichtgut
und murrt: „Die freche Jugend!“

Wo bleibt nun hier die Tugend?

Ingrid Herta Drewing


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