Das Feuer von Cogolin

Die Sonne sinkt und rötet das Meer.
Yves, Jean, Claude, Pierre und Albert,
Boule spielen sie auf der Place des Gamins,
ein fröhlicher Abend in Cogolin.

Und der Mistral frischt auf, weht zur Cote d’Azur.
„ Morgen fahr’ ich zu Jeanne nach Namur!“,
verkündet Claude und lehnt sich zurück;
er träumt von seinem Hochzeitsglück.
Dann Yves, stolzer Vater, erzählt vom Sohn.
Er habe vier Zähnchen und laufe bald schon.
„ Meine Tochter Christine“, so schwärmt Albert,
„ ist fleißig und schön, gleicht der Mutter sehr.“

Doch was war das?
Ertönte da nicht die Glocke vom Turm?
Jetzt hören es alle: Sie läutet Sturm.
Feuer soll sein hinterm Hügel im Wald.
Sie rufen und rennen; es gibt keinen Halt.
Denn jetzt ist jeder ein Feuerwehrmann.
Sie eilen zum Wald; sie packen es an.

Und bekämpfen den Drachen, die lodernde Glut
mit Gegenfeuern und schöpfen Mut,
dass des Feuers Gier ist bald gestillt.
Aber schon wieder flackert es wild.
Es knistert und kracht, es dampft und zischt.
Der Pinienhain lodert, ein Flammengesicht.
Sie graben sich ein; die Feuersbrunst grollt.
Die Nacht leuchtet rot, und ein Donnern rollt
Sie rufen und suchen im Kampf den Genossen.
Der Feuerring hat sie eingeschlossen.

Doch da spricht von Hoffnung ein rußig’ Gesicht,
und seine Stimme die Angst durchbricht,
denn Yves sagt entschlossen:
„ Es muss uns gelingen,
lasst uns diesen Ring durchdringen!
Die Stadt ist in Not,
Kinder und Frauen vom Feuer bedroht.
Wir müssen sie retten, wir schreiten voran;
es kämpfe ein jeder, so gut er kann!“
So halten sie aus und wehren mit Macht
den Feuernestern, die wieder entfacht.

Da! Endlich naht sie, die Hilfe! Vom Meer
fliegen Hubschrauber Wasser nun her.
Sie helfen zu löschen den höllischen Graus.
Matt züngeln noch Flammen,
doch dampfend zischt es;
dann sinkt es zusammen
und schließlich erlischt es.
Das Feuer ist aus.

Sie haben’s geschafft, Cogolin ist
verschont geblieben mit knapper Frist.
„ Wo sind sie, die Männer der Feuerwehr?
Wir wollen danken.
Seht, da kommt Pierre!“
„Wo sind sie?“, fragt der, dem man danken will.
„ Die Kameraden, wo sind sie?“
Alles schweigt still.-
Und dann ist es gewiss: Sie kommen nicht mehr.
Sie starben im Feuer: Yves, Jean, Claude und Albert.

© Ingrid Herta Drewing
(2003 anlässlich der schlimmen Brände in der Provence geschrieben. Leider jedes Jahr wieder ein aktuelles Thema)

Illusion

Wer folgte der falschen Fährte,
führte die Hoffenden
in den Morast der Sümpfe?

Noch immer
irrlichtert hier
sorglos die Maßlosigkeit,
und das feiste Lachen des Vollmonds
verspricht versilbernd
die Rettung.

Doch die Retter,
getarnte Räuber,
lauern.
Idyllisch der Hinterhalt.

Am Rande des Waldes
träumende Schafe,
bereit für die Schur.

© Ingrid Herta Drewing

Die Wasserfrau

Ein Angler, am Ufer alleine,
zog aus dem Rhein sich ’ne Kleine.
Sagt:“ Du weißt genau,
du wirst meine Frau,
obwohl du hast Flossen statt Beine“.

Er lehrte sie Anglerlatein
und nahm sie ganz für sich ein;
war er doch ihr Retter,
dazu noch ein netter,
da musst‘ er ein Märchenprinz sein.

Doch schmiert’ er ihr täglich auf ’s Brot,
dass er sie gerettet aus Not.
So ließ er sie schwören,
nur ihm zu gehören,
sonst sei ihr sicher der Tod.

Sie konnte bald nicht mehr ertragen,
sein ständiges Nörgeln und Klagen.
Als ein Seemann ihr pfiff,
schwamm sie zu seinem Schiff,
fuhr mit ihm davon voll Behagen.

Der Angler nun wieder allein,
ertränkte den Kummer in Wein
Er soff und ward krank.
Ja, das ist der Dank,
wenn Frauen man fischt aus dem Rhein.

Ingrid Herta Drewing