Der alte Wolf und der Fuchs

Den alten Wolf beäugte Fuchs,
hielt Ausschau auch nach Beute.
Ein Schäferhund von großem Wuchs
bewachte dort die Herde flugs,
ganz ohne Hundemeute.

Der Wolf fühlt‘ sich durch Hunger klamm.
Der Herde schnell entrissen
hätt‘ gar zu gerne er ein Lamm
und sann, wie er den Hund verdamm‘.
Da naht der Fuchs beflissen.

Er sprach: „ Mein Lieber, so allein
willst du ein Schaf hier jagen?
Der Wachhund beißt dich bös‘ ins Bein.
Lass‘ diesen Plan doch lieber sein,
sonst geht’s dir an den Kragen!

Ich weiß, es gibt hier in der Nähe
viele Gänse, unbewacht.
Ich fing jüngst dort mit meiner Fähe
fast ihrer fünfe, keine zähen;
ja, der Fang hat was gebracht!

Wenn du es willst, führ‘ ich dich hin;
gemeinsam lass uns jagen!
Hältst auf die Stalltür, bis ich bin
beim Federvieh, uns zum Gewinn.
Was ist, woll’n wir ’s nun wagen?“

Der Wolf, vom Hunger arg geplagt,
war leicht zu überrumpeln,
hatt‘ kaum, dass ihn der Fuchs gefragt,
mit ihm den Gänsefang gewagt.
Zum Stall sah man ihn humpeln.

Brav hielt er dort die Tür weit auf.
Die Gänseschar laut schnattert‘.
Der Fuchs schnappt‘ eine aus dem Hauf‘
und rannte weg in raschem Lauf,
Wolf stand stumm und verdattert.

Und schon ward’s nah im Hause hell.
Dann knallte eine Flinte.
Der Wolf nun hastet weg sehr schnell,
hört‘ Schüsse, hündisches Gebell,
erkannte Fuchses Finte.

Der wartete wohl nicht auf ihn,
tat bös ihn überlisten,
um ihm die Beute zu entzieh’n,
dieweil er musst‘ vor Hunden flieh’n,
sein Leben mager fristen.

Drum denke nach, wenn dir ein Fuchs
laut anpreist seinen Plan,
sonst wird dir nur was abgeluchst,
und dir bleibt schnöder Wahn!

© Ingrid Herta Drewing,2014


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