Falscher Nikolaus


Wer schleicht bei Nacht dort um das Haus,
wo längst schon schlafen Mann und Maus
sowie die Mieze auf der Matte?
Der Ede ist ’s, als Nikolaus
hat sich verkleidet diese Ratte.


Statt, was zu bringen, will er ’s holen,
bricht ein und geht auf leisen Sohlen
jetzt zielstrebig zur Küche hin.
Doch plötzlich knarren laut die Bohlen,
das hört der Wachhund Rasputin.


Er hebt den Kopf, die Schnauze, schnüffelt,
bemerkt, dass es nach Ratte müffelt
und nimmt sogleich schnell auf die Spur.
Dieweil der Ede, der gern süffelt,
ausgiebig trinkt vom Whiskey pur.


Als ihm, fidel, ein großer Schinken
dort auf dem Tisch nun scheint zu winken,
da freut er sich auf fette Beute,
beendet sodann auch sein Trinken,
um ’s Diebesgut zu sichern heute.


Jedoch leicht ist das nicht zu stehlen.
Um nicht den Braten zu verfehlen,
muss Ede springen von ’nem Hocker
dort auf den Tisch; er kann’s nicht wählen,
dabei stört das Kostüm, das locker.


So bleibt er am Adventskranz hängen
und seine Mütze fliegt um Längen
an Tisch und Schinken flugs vorbei
auf Rasputin, der in dem engen
Bereich sucht, wo die Ratte sei.


Der Hund beginnt jetzt laut zu bellen,
versucht den Ede so zu stellen
und hofft, dass Herrchen komm‘ herbei.
Schon hört auch Ede Rufe gellen,
befürchtet, alles sei vorbei.


Er kann sich aus der Jacke lösen,
indem er öffnet alle Ösen
und rennt hinaus, so schnell er kann.
Den Hund schimpft dann danach als Bösen
und Störenfried der Herr von Tann.

„Nein, Rasputin, das lass dir sagen,
dir nutzt kein Bellen oder Klagen;
der Schinken hier ist nicht für dich.
Zu nehmen ihn, soll niemand wagen,
der ist für Gäste und für mich!“


Was Ede hinterher noch machte,
ob er leis murrte oder lachte,
das weiß allein der Nikolaus,
der noch an diesem Abend wachte,
die Strümpfe füllte in dem Haus.


© Text: Ingrid Herta Drewing,
Bild: Ingmar Drewing


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