Der Fuchs und der Wolf

Ein alter Fuchs, der sehr gewitzt,
stahl eine Gans, war weggeflitzt,
weil Menschen ihn verfolgten, suchten,
ihn laut beschimpften und verfluchten.
„Wo kann ich mich denn nur verstecken,
damit sie mich nicht noch entdecken?“,
so fragte er sich, fand es schlimm,
er traf im Walde Isegrimm.

Der Wolf, der starrte auf die Beute,
die ja der Fuchs noch bei sich trug,
und dachte: “Ich bin stark und klug,
ich werd’ sie bringen meiner Meute.“
„Kannst du mir etwas geben ab,
ich werd ’s dir lohnen nicht zu knapp?“,
so bat er heuchelnd, brav den Fuchs.
Doch dieser aus dem Busche luchst’
und sagte: “Ja, du sollst was haben;
nur können wir uns erst dran laben,
wenn ganz gerupft das Federvieh.
Ruh’ dich nur aus, ich zupfe sie!“

Der Wolf, der keinen Argwohn hegte,
sich vor den Busch zur Ruhe legte.
Der Fuchs begann sein Federlesen,
warf vor den Wolf sie, man konnt’ lesen,
dass er die Gans gefressen hätte,
die Federn wählt’ zum Schlummerbette.
Der Fuchs entschwand schnell in sein Reich
und labte sich am Gänsefleisch.

Und bald kam der Verfolger Schar.
Als sie den Wolf so liegen sah,
da glaubten sie, er sei der Dieb,
verpassten ihm manch harten Hieb.
Der Wolf, der endlich konnte fliehen,
wollt’ gerne in den Kampf noch ziehen,
war wütend auf den Fuchs, den alten,
weil er zum Narren ihn gehalten.
Jedoch ihn schmerzten noch die Schläge,
drum ging er heim, um sich zu pflegen.

Ja, will man andre legen rein,
muss man wohl schlauer als sie sein.

Ingrid Herta Drewing


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