Poetenengel

Komm mir ja nicht all zu englisch,
leg die Flatterflügel hin!
Engel, teuflisch überschwänglich
zeigst du mir, wie unzulänglich
ich armes Poetchen bin.

Lässt die Worte schwirren, tanzen
und verwirrst mir gar den Sinn;
statt sich lieblich anzuwanzen
in Sonetten oder Stanzen
zauberst du’s in Prosa hin.

Kannst mit Bildern kühn jonglieren
und zur Suada wird dein Wort,
mag auch Leid den Glanz brüskieren,
nie wirst du den Weg verlieren,
findest Poesie vor Ort.

Sprachlos steh‘ ich da und staune
Pegasus fest im Visier,
höre dichtend Engel raunen,
träum von himmlisch weichen Daunen,
denn fast bricht’s die Feder mir.

© Ingrid Herta Drewing, 2016

Reim dich oder ich fress‘ dich!

Malheur

Ein Mensch, entbrannt in heißer Liebe,
entflammt auf Reimen, Versen stand,
hat sich, weil er bei Sehnsuchtsschüben
die rechten Worte nicht mehr fand,
falsch auf den Pegasus gesetzt.
Er stürzte ab. Gedicht verletzt!

Meisenweise

Ein Weiser hörte eine Weise,
die klang ihm zärtlich, lieb und leise
und war vertraut ihm, gut bekannt.
Er hatte sie auf einer Reise
gehört von einer kleinen Meise,
die er vor seinem Fenster fand.

Es war die Meise eine Waise
(die Eltern starben im Geleise,
als ein Schnellzug sie erfasst).
Nun singt die kleine Meisenwaise
ihr Lied im Kreis der weisen Greise,
beim Vogelhaus auf einem Ast.

Untergang

So mancher,
den das Leben ließ viel hoffen,
ist dann,
das macht mich sehr betroffen,
mit ihm im Alkohol ersoffen.

© Ingrid Herta Drewing