Rappers Nachtlied

Haltet mich ruhig für ’nen Deppen,
wenn ich jetzt beginn‘ zu rappen,
Worte im Stakkato steppen,
Takte tanzend über Treppen.

Nichts mehr klingend schön verschleppen,
bilderreich was aufzupeppen,
das war gestern, heut mit Mut
stürze ich die Worte-Flut,
wild gewürzt mit etwas Wut,
lass sie prasseln auf euch nieder.

Euch, die ihr so herzig, bieder
nur verkostet schöne Lieder,
soll ins Mark der Schwall da treffen.
Ja, ich sag es immer wieder,
ohne Tiefsinn nachzuäffen,
ich schaff’s, wie ein Hund zu kläffen.

Gangster-Rap ich auch nicht scheue.
Wenn erzürnt ich tob‘ auf ’s Neue,
wird selbst „Fuck you Goethe“ stumm.
Mein Tabu-Bruch treibt selbst treue
Wortbewahrer fluchend um.

Woher ich ’s auch immer hole,
meine Fans und ihr Gejohle
gehen mit beim Rappen ab;
leb davon und nicht zu knapp.
Ja das bringt mir mächtig Kohle,
bin vom Scheitel bis zur Sohle
längst ihr Hero, lach mich schlapp.

© Ingrid Herta Drewing, 05.10.19

Der Grille Erfahrung

Die Grille zog ’s mit ihrer Geige
hinaus, fern in die weite Welt.
Sie wollt ihr Können nicht verschweigen
und hoffte, dass man ihr erzeige
auch Gunst, weil Kunst doch wohl gefällt.

Jedoch, was sie als schön empfand,
das Zirpen, ihre Melodie,
Musik voll Klang und Harmonie,
das schätzte man nicht dort im Land,
beschimpfte, ignorierte sie.

Da stieg sie nackt auf eine Bühne,
und tanzte, sehr Intimes zeigend,
wild ihre Melodien geigend.
Das Publikum mit froher Miene,
es applaudierte, sich verneigend.

Und die Moral von der Geschicht’:

Der Mensch, der aus auf Sensationen,
will nicht im Musentempel wohnen,
ist meistens nicht auf Kunst erpicht.
Man muss nur ein Tabu entthronen,
dann gibt ’s Erfolg im Rampenlicht.

© Ingrid Herta Drewing