Alles ist relativ ( Kindermund)

Vier Frauen saßen nett beisammen,
erzählten sich so dies und das,
von Liebe auch und neuen Flammen,
von Paaren, kurz den neuesten Tratsch.

“Stellt euch mal vor, die Katharina,
die mit dem tizianroten Haar,
geht jetzt mit einem jungen Wiener,
der ist gerad’ mal 20 Jahr! “

“Der könnt’ ihr Sohn sein!”, meinte Ria.
“Ist sie nicht 40 ?“ , fragt’s empört.
“Das ist wie bei der Schickeria.—
In unsren Kreisen unerhört !”

Und während man nun noch sinnierte,
wie Altersunterschiede sind,
vergaß man ganz, denn es studierte
ein Bilderbuch, das Vorschulkind.

Doch plötzlich lautstark war’s zur Stelle,
verschämt erstarb der Schnattermull.
Das Kind sprach:”Wenn ich’s mir vorstelle,
ich bin dann 20, er ist Null !”

© Ingrid Herta Drewing,

Fensterplatz

Und täglich sitzt sie dort.
Am Fenster liegt ihr Kissen.
Wer kommt und wer geht fort?
Die Neugier wird zum Sport
und wehrt dem Ungewissen.

Es wird zur Obsession,
mit Blicken zu begleiten
der Nachbarn Tochter, Sohn,
die Jagd nach Sensation
scheint Spaß ihr zu bereiten.

Und was sie so erspäht,
erzählt sie, wichtig, weiter,
sorgt so von früh bis spät
für Tratsch, der Übel sät,
Gerüchte als Begleiter.

„ Die trifft sich oft mit dem,
ist sicher fremdgegangen
Es hat, ja,trau,schau,wem,
der Neue da zudem
mit Karl was angefangen.“

Wie kalt muss Dasein sein,
wenn man sein halbes Leben
sich so macht nur gemein
und letztlich sitzt allein
als Spinne in den Weben?

© Ingrid Herta Drewing,2017