Karl Ranseiers Urnenauszug

Als Ransi Karl zu Tode kam,
wählt‘ man den Sarg aus Buchen.
Dort ruhte er erst lobesam,
man durft‘ ihn noch besuchen.

Doch nach dem End‘ der Trauerfeier,
wo er noch ward gepriesen,
schob man den Karl ins Krema-Feuer,
zu sparen Friedhofs Wiesen.

Zu eng als Asche in der Urne
fand Karl sein Nacherleben,
sagt‘ sich: „ Ich besser jetzt mal turne
hinaus, geh‘ einen heben.“

Das Gasthaus dort „ Zur letzten Träne“
betrat er unumwunden
und schnell, ich es nur so erwähne,
stellt‘ er sich zu den Kunden.

Karl rief: „Ein Bier!“ Doch man war taub;
ihn konnte keiner hören.
Sie rügten nur Saharastaub,
und meinten, man sollt‘ kehren.

Den Aschen-Karl erfasst ein Besen,
der hat ihn auf die Schipp‘ gekehrt,
und statt zum Trunke dort am Tresen
ward Karl im Gärtchen ausgeleert.

Jetzt ruht er unterm Apfelbaum
und hört die Vögel singen.
Den Gastwirt plagt er nachts im Traum
und lässt ein Bier sich bringen.

© Ingrid Herta Drewing

Verkannter Poet

Verschnupft las er, er sei ein Schleimer.
Das fand er doch nun desaströs,
dass er als altgedienter Reimer
so weg geworfen in dem Eimer
der Kritiker, die fast nervös,
im Wort Verwursten Meister gar,
ihn falsch einschätzten, offenbar.

Drum gab’s für ihn kein Ruhen, Rasten.
Um diesem Bild schnell zu entflieh’n,
bewegte er flott Entertasten,
ließ Worte ungereimt so hasten,
im Prosalyrischen erglüh’n.
Und bald vernahm er, wunderbar,
dass er modern, Poet fürwahr.

Sogar der Karl kam, wie’s ihm eigen,
und bot sich als „Verleger“ an,
durft‘ ihm die Unterwelt nun zeigen,
poetisch führ’n zum großen Schweigen,
wie man es in der Gruft nur kann.
Und überm Grab am Lorbeer-Aste
sanft schaukelt eine Entertaste.

© Foto u.Text: Ingrid Herta Drewing,2019