Einsamer Täuberich

Der Ringeltäuberich sitzt still
hoch auf des Baumes Wipfel.
Mir scheint’s, dass er erobern will
den höchsten Ast als Gipfel.

Von dort aus schaut er weit ins Land,
lässt tiefes Gurren hören,
damit der Taube wird bekannt,
dass er ihr Liebe schwöre.

Doch plötzlich lässt ein Regenguss
dies Liebeslied verklingen;
der Täuberich ins Trockne muss,
und es verstummt sein Singen.

Was nutzt ’s, wenn man auf Liebeswegen
nur einsam da sitzt, so im Regen!

© Ingrid Herta Drewing

Blick aus dem Fenster

„Gurruu gu gurruu, gurruu gu gurruu!“,
singt monoton der Hahn der Ringeltaube,
„gurruu gu gurruu, gurruu gu gurruu!“
Sitzt dort im Nieselregen auf der Laube.

Es klingt mir so, als sei es ein Appell,
laut rufend, dass die Taube möge kommen,
nicht zögernd, sondern möglichst flugs und schnell
sei diese so ersehnte ihm willkommen.

Jedoch erfolglos bleibt des Täub’richs Bitten,
und einsam fliegt er schließlich auch davon.
Vier Finken, tschilpend laut, als ob sie stritten,
beleben nun den Ort mit hellem Ton.

Banal gesagt – hier kann ich ’s deutlich sehen-
das Leben ist ein stetes Kommen, Gehen.

© Ingrid Herta Drewing