Spätsommerwunsch

Im Blau des Himmels Cirruswolken schweben,
als hätte sie ein Maler hingetupft,
so licht und weiß wie zarte Spinnenweben
und Federflaum, frisch aus dem Nest gelupft.

Kein Daunenleser war ’s, kein Malersmann.
Des Nordwinds Spiel ist ’s; in den kühlen Höhen
lässt er bizarre Bilder schön entstehen.
Doch kündigt er damit auch Regen an.

Dem Frühherbst wird er nun den Weg bereiten,
schon folgt auf kühlen Tag die kalte Nacht.
Der Sonne scheint die Kraft nun zu entgleiten,
da sie nur noch in Mittagsstunden lacht.

Ich wünscht’, der Sommer sei noch nicht gewesen,
jedoch der Wind kann meinen Wunsch nicht lesen.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Zögerlicher Frühlingsanfang

In grauem Mantel tritt der Frühling an,
als gelte es den Winter zu hofieren,
der regennass, mit wolkigem Gespann,
uns ohne weiße Weste wollt‘ brüskieren.

Zwar hatte Lenz schon lächelnd vorgefühlt,
Schneeglöckchen, Primeln, Krokus sprießen lassen.
Doch zeigte er sich heute unterkühlt;
Palmsonntag-Jubel fern in trüben Gassen.

Hier wirkt auch noch des Frühlings Lust gering,
obwohl das Leuchten der Forsythien-Hecken
am Morgen goldgelb blühend uns empfing,
vermag doch Nord-Wind, Milde zu verstecken.

Ein Weilchen werden wir wohl warten müssen,
bis uns der Lenz beglückt mit zarten Küssen.

© Ingrid Herta Drewing,2016