Verpasste Chance

Ein Senkel und ’ne Schnalle
noch waren unbeschuht,
und wie in solchem Falle
gut Ding mit Weile ruht.

Sie lagen in der Lade
dort beinander dicht,
doch Schnallen-Stolz, wie schade,
nahm wahr Schnürsenkel nicht.

Der Senkel sich bemühte
und sprach die Schnalle an,
lobte den Glanz, die Güte,
die sie erbringen kann.

Die Schnalle ignorierte
jedoch, was er gesagt,
was er da so vollführte,
hat gar nicht ihr behagt.

Doch als dann Opas Enkel
zum Schuhband ihn gewählt,
vermisste sie den Senkel,
der ihr nun täglich fehlt.

So vieles, was gewöhnlich
uns vor dem Auge steht,
trifft plötzlich uns persönlich,
wenn es für immer geht.

© Ingrid Herta Drewing,2018

Worte

Den leichten Vögeln unsre Worte gleichen.
Sie gleiten unbedacht flugs über Lippen.
Gedanken werden kaum zu Schranken, Klippen.
Fort ist das Wort; es wird sein Ziel erreichen.
Wie gerne fingst du’s ein, um es zu streichen,
das falsch Gesagte richtig umzutippen.

Der Worte Klang dringt tief in unsre Seele,
und sind sie sanft, ist’s wie ein zärtlich‘ Kosen,
schenkt Wärme, Licht, lässt hell erblühen Rosen.
Jedoch die harten, harschen, die Befehle,
sie schnüren zu, dem der sie hört, die Kehle,
und Traurigkeit lähmt nach dem Wüten,Tosen.

Wer dichtet, darf mit Wörtern, Klängen spielen,
zu Bildern sie verweben, Poesie
sie läutern und beleben, Phantasie
in weite Räume, Farben-Träume zielen,
in Rhythmen tanzen, jenen vielen,
die die Musik uns schenkt in Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing,2016