Im Nebel

Hier im Nebelgrau verschwimmen
Tage mir, und die Konturen,
die, verwoben, nicht mehr stimmen
in des Morgenlichtes Glimmen,
sind kaum matten Lebens Spuren.

Wo die Sommervögel sangen,
liegt verstummt der kleine Garten.
Auch der Apfelbaum, verhangen,
muss, im Nebelnetz gefangen,
hilflos hier auf Sonne warten.

Alles scheint nur still zu währen,
ruht verhüllt in dichtem Flaus.
Nicht ein Krähenruf mag stören,
kaum sind Klänge noch zu hören,
Schweigen breitet sich nun aus.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Verlust

Ich hörte noch die wohlvertraute Stimme,
die mir in diesem Hause immer nah,
und sah die Glut, das letzte Scheit, verglimmen.
Der Schatten wuchs, und Tod war plötzlich da.

Er sprach von Abschied, Trost nach langem Leiden,
und dennoch war mir kalt; ein dumpfer Traum,
der alles, was lebendig ist, will meiden,
ergriff mein müdes Herz, der Liebe Saum.

Es ist zu schwer, den Menschen loszulassen,
ihn nicht mehr halten fest im Arm, geborgen,
man kann kaum, wenn man liebt, erfassen,
dass ohne ihn beginnt ein neuer Morgen.

Und lebt man fürderhin auch hier allein,
bleibt lieb sein Bild doch in der Seele Schrein.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Sturm

Der Sturm kennt keine Zäume;
mit Urgewalt
ergreift er Dächer, Bäume
und macht nicht Halt
vor Türmen, Eisen-Masten.
Es ist ihm einerlei;
Container, schwere Lasten
hievt er, als ob’s nichts sei.

Da muss der Mensch erkennen,
dass seine Macht,
die er sonst groß mag nennen,
erweist sich schwach.
Hier heißt es, Schutz zu finden
vor Sturmes Graus,
die Furcht zu überwinden,
bis er klingt aus.

Und dann beginnt das Räumen
von Schrott und Schlamm.
Kein Zögern und kein Säumen,
wir stehn zusamm‘,
beseitigen die Spuren
der rohen Kräfte hier.
Man schaut nicht nach den Uhren
beim Aufbau im Revier.

Sehr bald sieht unsre Straße
manierlich aus.
Die Bank auf grünem Grase
ziert weiß das Haus.
Die Mühe durft‘ sich lohnen,
jetzt scheint sie heil die Welt.
Es möge uns verschonen
Unwetter, das missfällt!

© Ingrid Herta Drewing,2014

Traumgestalt

Ich trage einen Traum in mir,
dem Wirklichkeiten,
auch ferne Zeiten
Erfüllung nicht gewähren werden.

Und dennoch schenkt er säumend hier
ein Vorbereiten
und zartes Gleiten
in meines Lebens Tag auf Erden.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Morgenrot

Noch netzt der kühle Tau die Wiesen.
Im Osten zeigt sich Sonne rot,
erklimmt die Berge, Morgengrüße
schickt in den Himmel sie so süße,
und Wölkchen leuchten zart umloht.

Im Licht beginnt der Tag zu schwingen.
Die frühen Vögel heben an
ihr helles Lied hier darzubringen,
und lieblich weckt ihr muntres Singen
im Tal auch Groß und Klein sodann.

Da regt geschäftig sich das Leben.
Es ruft die Pflicht;der Mensch nun geht,
beginnt sein Tagwerk, weiß, sein Streben
und Wirken, all sein sorgsam‘ Weben
hilft, dass sein Dasein gut besteht.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Alte Frau

Als sei sie irgendwie da festgetackert,
so sitzt sie auf der Bank hier, schweigend, stumm.
Sie hat jahrzehntelang sehr schwer geackert,
sich, wie es heißt, nur ständig abgerackert
und nahezu vergessen das Warum.

Nun ist sie in ein Sinnen tief versunken,
und stoisch fast erscheint ihr blauer Blick.
Sie wirkt entrückt, als sei sie schlafestrunken,
in Träume der Erinnerung versunken,
erstaunt erschauend eigenes Geschick.

Jedoch aus ihrem Antlitz spricht die Würde,
Erfahrung, Weisheit eines Lebens schlicht,
das sich gefunden trotz der schweren Bürde,
inmitten eines Alltags Sorgen-Hürde;
bereit jetzt auch für letzte, sanfte Sicht.

Und leicht wie eines Frühlingswindes Fächeln
schwebt zart in ihren Zügen nun ein Lächeln.

© Ingrid Herta Drewing

Hybris

Chaos

Kosmos,
Schöpfungsakt.

Fehlkontakt,
tiefer Riss.
Selbstgewiss,
ohne Maß
trüb das Glas.

Chaos

Kosmos
abgewrackt.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Profitgier

Auf andrer Menschen Kosten fürstlich leben,
weil diese hart mit Sklavenlöhnen darben,
das darf es auf der Welt nicht länger geben!
Wo bleibt die Menschlichkeit, für die wir warben?

Ach, es sind immer, seit Jahrtausenden,
die Schwachen, Frauen, Kinder hier die Beute.
Die Mächtigen, in Luxus Hausenden,
sie kennen ihre Pfründen, so auch heute.

Ein Raubtier ist der Mensch, in Gier befangen.
Kein andres Wesen auf der ganzen Welt,
nimmt mehr als es der Hunger lässt verlangen;
nur Homo sapiens wild den Raffzahn stellt.

So lässt ihn dies‘ Gewinne Maximieren
sein bisschen Menschlichkeit oft schnell verlieren.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Vanitas

Blauregen wirft die Ranken in den Wind,
die Mauer suchend, um sich festzuhalten.
Ob diese Pflanzen doch auch Wesen sind,
viel stiller nur und duldsam im Gestalten?

Vom Werden,Wachsen alles ist durchdrungen
und findet welk auch wieder in den Tod,
nachdem es hell sein Lied im Licht gesungen,
Ergrünen, Blühen, Reifen das Gebot.

Wir, unsren Wurzeln,wie es scheint,entronnen,
wir fühlen hier in dieser Welt uns frei,
da wir mit “ unsrer Schöpfung” selbst begonnen
ein neues Paradies, das irdisch sei.

Jedoch auch unser schönstes Morgenrot
besiegelt hier auf Erden doch der Tod.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Lebenswille

Ein schlafend Feuer der Vulkan,
in Eis und Schnee gehülltes Leben,
und dennoch bricht sich Grünen Bahn.
Der Mensch, hier zwischen Wissen, Wahn,
sucht seinen Weg im Erdenstreben.

Und wehrt sogar Naturgewalten,
soweit sie leicht beherrschbar sind.
Doch immer wieder gibt‘ s kein Halten,
wenn Stürme, Fluten, Feuer schalten,
verfliegen Kraft und Witz wie Wind.

Jedoch, es wird ihn Hoffnung tragen,
sein Glaube, Denken ihn bewegt,
dass er trotz Leid und Todesklagen
auch weiterhin in seinem Wagen
den Lebenswillen wirksam hegt.

© Ingrid Herta Drewing