Seneca

Im Geiste frei
wollte er Nero lehren,
was Herrschen sei,
zum rechten Maß bekehren.
Ein Kaiserbild
für Bürger mild,
dem Wohle Roms zur Ehre,
dass er der Feigheit wehre.
Das Potentatentum
sei nichts für trägen Ruhm!
Die Macht als Stütze
dem Staate nütze!
Lucius erscheint
als Neros Freund.

Wie mocht‘ es sein,
musst’s ihm nicht widerstreben,
tagaus, tagein
in falschem Licht zu leben,
das Willkür prägt,
die wenig wägt,
sich sonnt in eitlem Glanz,
in Hochmut, Arroganz
und Pomp, Verschwendung frönt,
dem Wahren ganz entwöhnt,
sich selbst wähnt gar als Gott,
bestärkt vom Schmeichlerwort?

Auch ein Komplott
konnt‘ nicht vom Wahn befreien.
Der Kaiser-Gott
ließ Gnad‘ ihm angedeihen,
befahl im Spott
Selbsttötungsmord.

© Ingrid Herta Drewing

Stoisch

Der August und der Augustin,
zwei Freunde, müde Krähen,
auf der Antenne, am Kamin
da sitzen sie,kein Weckamin
bewirkt, dass was geschähe.

Als seien sie vom Spätherbst nun
als Denkmal auserkoren,
im Nebel stoisch auszuruh’n,
so flügellahm, schier nichts zu tun,
fast einsam und verloren.

Der Elster lautes Keckern kann
sie nicht mal animieren.
Sie hören sich ihr Meckern an
und plustern sich kurz auf, um dann
bei Kälte nicht zu frieren.

Der August und der Augustin
die Hektik stets verschmähen.
Sie meiden Arbeit, Pflicht, Termin
und träumen sanft, dass sie Jasmin,
ihr Glück, einst noch erspähen.

© Ingrid Herta Drewing,2015