Archive for the Category Sagenhaftes

 
 

Der Fährmann und die Armen Seelen

Der träge Fluss im Nebelhauch,
diffuses Licht, Novembermorgen,
doch überm Fährhausdach der Rauch
zeigt an, ein Mensch lebt hier geborgen.

Tagaus,tagein scheut er nicht Mühe
und bringt die Wandrer übern Fluss;
ob abends spät, ob in der Frühe
ist ’s für ihn ein gewohntes Muss.

Doch heut‘ beschleicht ihn banges Ahnen,
er träumte nachts, es hieße Tod
ihn Charon, und mit ernstem Mahnen
brächt‘ er die Toten in sein Boot.

Ihn graust ’s, als er zur Fähre schreitet.
Man rief nach ihm, doch keiner da!
Ein kaltes Schaudern ihn begleitet,
als er bemerkt den Schatten nah‘.

Der Fährmann zögert, fühlt Gefahr,
ruft rüber, jetzt fehl‘ ihm die Sicht,
ein wenig später, wenn es klar,
werd‘ er erfüllen seine Pflicht.

„ Hol über, Fährmann,will’s dir lohnen
mit Gold; so scheu das Rudern nicht;
musst heut‘ dein Boot nicht ängstlich schonen,
der Nebel ist nicht gar zu dicht!“

Da überwindet sich der Mann,
setzt übern Fluss, und es steigt ein
ein Herr, sehr vornehm, sagt sodann:
„ Nimm diesen Batzen, er sei dein!“

Er nimmt den Lohn und lenkt das Boot,
erleichtert;doch in Flusses Mitten
senkt sich der Kahn, gerät in Not,
als sei viel Volk hinein geglitten.

Und er hört nun,erschrocken staunend,
„ Erlöse uns von unsrer Schuld!“
Ein Wimmern, Arme Seelen raunend:
„ Rett‘ uns ans Ufer, üb‘ Geduld!“

Dem Fährmann sträubt sich fast das Haar,
doch zieht er fest die Riemen an;
der Fremde, scheint’s ihm,lächelt gar!
Nun rudert er, so schnell er kann.

Dann endlich ist der Steg in Sicht,
und sicher legt dort an der Kahn,
der plötzlich strahlt in hellem Licht,
als breche Sonne sich die Bahn.

Und vieler Stimmen Dankesworte
vernimmt der Fährmann, schaut sich um:
Es ist kein Passagier vor Orte;
er denkt an Wahnsinn, fühlt sich dumm.

Doch das, was ihm der Herr gezollt,
das will ihn dennoch überraschen:
Er findet jenen Batzen Gold
ganz tief in seinen Hosentaschen.

Nur dann zu Haus sein Spiegelbild
blickt fremd ihn an: ein alter Mann.
Das schwere Werk, das er erfüllt‘,
hat ihn gezeichnet also dann.

© Ingrid Herta Drewing, 2013

Die Rheinnixe

Ein Angler, am Ufer alleine,
zog aus dem Rhein sich ’ne Kleine.
Sagt:“ Du weißt genau,
du wirst meine Frau,
obwohl du hast Flossen statt Beine“.

Er lehrte sie Anglerlatein
und nahm sie ganz für sich ein;
war er doch ihr Retter,
dazu noch ein netter,
da musst’ er ein Märchenprinz sein.

Doch schmiert’ er ihr täglich auf ’s Brot,
dass er sie gerettet aus Not.
So ließ er sie schwören,
nur ihm zu gehören,
sonst sei ihr sicher der Tod.

Sie konnte bald nicht mehr ertragen,
sein ständiges Nörgeln und Klagen.
Als ein Seemann ihr pfiff,
schwamm sie zu seinem Schiff,
fuhr mit ihm davon voll Behagen.

Der Angler nun wieder allein,
ertränkte den Kummer in Wein
Er soff und ward krank.
Ja, das ist der Dank,
wenn Frauen man fischt aus dem Rhein.

© Ingrid Herta Drewing

Verzaubert

Am See, dort wo der Wald
aus klarem Wasser dunkel blickt,
erhebt ein Fels sich, vorgerückt,
gibt einer Weide Halt.

Sie soll, so will ’s die Sage,
ein Mädchen einst gewesen sein;
verzaubert, Jahr und Tage,
als Weide steht sie fast allein.

Und ihre grünen Haare
sanft hüllen ihren Liebsten ein;
ihn hat vor vielen Jahren
verwandelt man in Felsgestein.

Das Paar, das mitternächtlich
der Nixen Tänze hier belauscht,
ward drum vom Nöck verächtlich
verwandelt und gar bös’ vertauscht.

Nur in der Vollmondnacht im Mai,
wenn Silberlicht den See erhellt,
begegnen menschlich sich die Zwei,
wenn er sie lieb im Arme hält.

Vielleicht mag dennoch ihre Liebe
sehr lange währen in der Zeit.
Doch keiner darf mit Axt und Hieben
dort fällen schnöd’ die Weidenmaid.

Ingrid Herta Drewing

Ewige Liebe

Inmitten einer saftig grünen Wiese

fließt frisch und klar ein Bach in schnellem Lauf;

man wähnt sich wahrlich fast im Paradiese,

im Sommer duften Blumen hier zuhauf.

Doch dort ganz tief im hellen, kühlen Grunde

geht’s seltsam schaurig zu um Mitternacht;

die Geisterreiter, so erzählt die Kunde,

sie kämpfen hier in atemloser Schlacht.

Auf ihren Rossen, die mit ihnen starben,

sieht man sie glänzend weiß im Mondenschein;

ein junger Ritter trägt noch stolz die Farben,

gewidmet seinem Fräulein, schön und fein.

Auch sie ist schon vor langer Zeit verblichen,

doch manchmal, wenn der Nebel leise fällt,

sieht man sie kauernd ihre Tränen wischen;

sie trauernd ihrem Liebsten Treue hält.

Dann flüstert es am Bach, und Gräser singen

von einer großen Liebe tiefem Leid,

und es verstummt der scharfen Schwerter klingen.

Er eilt zu ihr für eine kurze Zeit.

Am Tag verhallt der Liebe stumme Bitte,

und auch nichts kündet von der Geister Zorn.

Nur eine große, liebliche Marg’rite

wächst strahlend neben einem Rittersporn.

Ingrid Drewing

Geheimnivoller See

Wo in des Wassers Tiefe Strudel drängen,
da ist des Nöcks dämonisches Zuhause.
Er lauscht der Wassernixen Chorgesänge,
bewacht des nahen Wildbachs Brausen,
der dort stürzt durch des Tobels Enge.

Nur selten tönt der Nixen Weise;
doch, wenn in sanftem Vollmondschimmer
hell glänzend grüßt geheimnisvoll der See,
sieht man sie dort auf Felsen flimmern
und hört ihr leises Singen, süß und weh.

Sie singen zärtlich von der Liebe, frühem Tod
des Jünglings, der in Sturmes Not
hier auf dem Weg zur Liebsten einst ertrunken,
und seiner Braut im Hochzeitsboot,
die dann im Sehnsuchtsschmerz,
ihn suchend , auch im dunklen See versunken.

Und dennoch hat die Sage zu berichten,
im Reich des Nöck sei glücklich nun das Paar
vereint, wie einst es wohl ihr Wille war.
Ein alter Fischer weiß um die Geschichte,
behauptet kühn, dass er die beiden sah.

In einer klaren Vollmondnacht wie heute
hab’ er sie tanzen sehn im Wasser nah dem Wald

in ihrer jugendschönen Wohlgestalt,
und ihre überird’sche Liebesfreude
sei dort als Echo ihrer Stimmen widerhallt.

Ingrid Drewing

Waldschloss

Zerschlissene Brokatbezüge,
wettergegerbt,grau sein Gesicht,
liegt dieses alte Schloss,verschwiegen
im Waldesdunkel, matt im Licht.

Im Modermulch der alten Bäume,
die umgefallen,moosbegrünt,

hat hier ein Rittersmann vor Zeiten,
verstoßen, böse Tat gesühnt.

Noch zeigt verblichen uns das Wappen
den Schild, der schützend sollte leiten,
geziert von einem stolzen Rappen,
bis er gedient Raubritterzeiten.

Auch heut ist selten dort ein Gast,
unwirtlich,nur zum dunklen Träumen
kehrt man hier ein,verliert sich fast
und glaubt das Leben zu versäumen.

Doch manchmal,wenn in Vollmondnächten
der Silberglanz die Nacht erhellt,
siehst du den Ritter kühn hier fechten,
gespenstig, bis er sterbend fällt.

Ingrid Drewing