Verwaiste Mutter

Fest hielt ich dich an meiner Hand,
jedoch die Welle riss dich fort.
Nun irre ich durch dieses Land,
durchsuche nach dir Ort für Ort.

Dort ,wo wir wohnten, Heimat, Haus,
seh’ ich nur Schutt, ein Trümmermeer.
Ich steh verkrampft, vor Kummer leer,
und kenne mich hier kaum noch aus.

Wo kann ich dich nur wiederfinden?
Mir ist, als sei mein Herz zerrissen.
Wie könnte ich es je verwinden,
wenn ich dich immer müsste missen?

Habe dein Püppchen heut’ gefunden;
Ach, wiegtest du es noch im Arm!
Mein Kind, mein Liebstes, käm’ doch Kunde,
dass du geborgen bist ganz warm!

Ingrid Herta Drewing

Schneefall

Es fällt der Schnee, er fällt
und deckt, als kühles Leichentuch,
dies’ arg zerstörte Land nun zu.
Getötet, wütend, hat im Nu
des grässlichen Tsunamis Fluch,
und noch bebt Japans Welt.

Erneut schnürt Tod den Schuh.
Fukushiama stellt
ins Licht der Kernkraftwerke Ruch.
Es hat die Menschen heimgesucht
des Todes strahlender Bijou.
Jod, Cäsium, Strontium hält
in Atem, unsichtbar, die Welt.

Und Schnee, unschuldig weiß,
er fällt und fällt.

Ingrid Herta Drewing

Erdbeben und Tsunami

Verlierst den Boden unter deinen Füßen,
die Erde bebt und reißt, es bersten Mauern.
Dich überfällt die Angst, ein tiefes Schauern,
so todesstarr kann keine Träne fließen,
und die Gefahren wachsend auf dich lauern.

Die Flammen lodern, schwarzer Qualm, die Brände,
sie breiten sich in Windeseile aus.
Du fliehst verzweifelt aus dem trauten Haus,
und krachend stürzen schon herab die Wände.
Es wütet heiß und wild der Feuersgraus.

Willst hin zum Strand dich retten, siehst im Laufen,
dass hoch sich türmt die Welle dort am Meer.
Sie wächst, wird Wucht und Tod, eilt rasend her,
und was sie greift, muss jämmerlich ersaufen,
denn der Tsunami fegt die Küste leer.

Du hattest Glück, erreichtest noch den Berg,
der hilft so manchem nun zu überleben.
Man teilt in Not, das was noch ist gegeben,
und fühlt sich dennoch hilflos wie ein Zwerg,
als Mensch, der oft so kühn in seinem Streben.

Ingrid Herta Drewing