Archive for the Category Frauen

 
 

Scheherazade 2014

Der Wüste weite, sternenklare Nacht
verbirgt die Schatten, die den Tag entstellen,
wenn ständig Mündungsfeuer raucht und kracht,
und knallend laut die Todesschüsse gellen.

Von Märchen weit entfernt Scheherazade
verteidigt sich, ihr Land im Schützengraben.
Der schwarzen Schlächter teuflische Scharade,
der dunkle Wahn, sollt‘ bald ein Ende haben!

Erst dann kann die Oase wieder grünen,
das Leben seine Friedenslieder singen
und auf des Glückes kleinen Zauberbühnen
kein Mensch den andern knechten und verdingen!

Doch, wie es scheint, ist dieser Tag noch weit.
Das Kind, es weint, denn Kampf bestimmt die Zeit.

© Ingrid Herta Drewing, 2014

Entscheidung

Müde,
blass das Gesicht,
sah sie ihn an
und wusste:

Keine
Waschmaschine der Welt
würde jemals
die schwarzen Tupfen
der Lügen
aus seinen
aufgeplusterten Federn
spülen.

Sie ließ
ihn
stehen
und
ging.

© Ingrid Herta Drewing,2013

Alte Frau

Als sei sie irgendwie hier festgetackert,
so sitzt sie auf der Bank in Stille, stumm.
Sie hat jahrzehntelang sehr schwer geackert,
sich, wie es heißt, nur ständig abgerackert
und nahezu vergessen das Warum.

Nun ist sie in ein Sinnen tief versunken,
und stoisch fast erscheint ihr blauer Blick.
Sie wirkt entrückt, als sei sie schlafestrunken,
in Träume der Erinnerung versunken,
erstaunt erschauend eigenes Geschick.

Jedoch aus ihrem Antlitz spricht die Würde,
Erfahrung, Weisheit eines Lebens schlicht,
das sich gefunden trotz der schweren Bürde,
inmitten eines Alltags Sorgen-Hürde;
bereit jetzt auch für letzte, sanfte Sicht.

Und leicht wie eines Frühlingswindes Fächeln
schwebt zart in ihren Zügen nun ein Lächeln.

© Ingrid Herta Drewing

Adams Rippe

Oh ja, manch‘ biblische Vision
ward falsch gesehn, wir wissen’s schon.
So nahm man Frauen auf die Schippe,
sagt‘,Eva käm‘ aus Adams Rippe.
Dabei ist es doch sonnenklar,
dass Weiblichkeit zuerst da war!

Die Wissenschaft es nicht verhehlt,
dass im Genom ein Stückchen fehlt
beim männlichen XYpsilon,
was man beim XX findet schon.
Drum drängt’s den Mann zum Weibe hin,
zu zweit vollkommen, das zeigt Sinn.

© Ingrid Herta Drewing

Superschlank

Warum muss Frau sich überwinden,
sich körperlich so reduzieren?
Mir scheint’s, als wolle ihr Verschwinden
man langsam modisch induzieren.

Zunächst wohl waren’s weiche Männer,
dem Knabenhaften zugetan;
sie prägten Mode, fanden Kenner,
Klein-Mädchen-Flair und Jugendwahn.

Und Frauen internalisieren
nun durch die Werbung dieses Bild,
„schlank zum Vergehen“; sie hofieren
die Schönheitsnorm und sind gewillt,

das, was natürlich vorgegeben,
dass etwas wächst und voll erblüht,
durch ’zig Diäten aufzuheben,
um ’s Standard-Schönheitsbild bemüht.

Als wollten Rosen Knospen bleiben,
Kakteen nur in Dornen stehen,
versucht sich Frau fast zu entleiben
und lässt ihr Leben so vergehen.

Ingrid Herta Drewing

Lernmotivation

Herzchen

Männer und Frauen sind sehr verschieden

(dies macht den Reiz ja aus).

Kleine Jungen, die Mädchen einst mieden,

geraten als Männer schnell aus dem Haus,

wenn eine Schöne sie flott umgarnt,

auch wenn sie bereits jemand vorgewarnt.


Frauen sind Mütter, Geliebte und Vamp,

Männer sind häufig in Liebe ein Tramp.

Nur selten gibt’s Treue ein Leben lang;

schon immer lockte Sirenen Gesang.


Dann gehen die meisten, schwach, in die Fänge.

Zu Hause wittern sie Öde und Enge,

auch wenn ihre Traute engelsgleich ist.

Der Mann liebt das Wandern, und er vergisst,

wie heiß er geliebt einst die eigene Frau.


Sie weiß es noch immer und spürt nun genau,

dass für ihn, der sich treu einst gebärdet als Held,

Treue, Vertrauen nun gar nichts mehr zählt.

Das schmerzt sie, doch heute zieht frau oft den Schluss,

dass sie dann halt ganz ohne ihn leben muss.


Darum ist es gut, sie hat früh schon erkannt:

Sei selbstständig, lerne, dann hast du’s in der Hand,

brauchst nicht hilflos zu kriechen,

wenn er dich verschmäht,

denn du hast für eigene Ernte gesät.

Ingrid Herta Drewing

Einsam im alten Haus

„Verkaufen! Zu weit abgelegen, zu alt. Du wirst sehen, das ist ein Fass ohne Boden, immerzu reparaturanfällig!“, sagte der Rest der Familie.Sie aber hatte sich in dieses Haus verliebt, das ihr ihre Tante vererbt hatte, und behielt es.

Schon in ihren Kindertagen war sie gerne hier zu Besuch gewesen. Das Haus hatte etwas Geheimnisvolles, und der verwunschene Garten war ihr kleines Paradies. Ihre Tante hatte ihn sorgsam gepflegt, obwohl man es diesem Naturgarten nicht auf den ersten Blick ansah. Ob sie das auch schaffen würde? Da sollte sie sich wohl besser um professionelle Hilfe kümmern, zumal sie ja nicht mehr taufrisch war, milde ausgedrückt.

Auch hatte sie wieder intensiv damit begonnen, zu malen und zu dichten, seit ihr Mann vor zehn Jahren gestorben war. Ihre Kinder waren erwachsen, lebten ihr eigenes Leben. Sie hatte endlich die Zeit dazu, hier in der Stille ihrem eigentlichen Beruf nachzugehen, den sie früher wegen ihrer Familie nur als Hobby ab und zu pflegen konnte.

Jutta hatte sich zwar lange Zeit inständig darum bemüht, sie zu verkuppeln. Aber sie konnte ihre Freundin davon überzeugen, dass sie nach Svens Tod auch sehr gut alleine zu leben verstand. Jutta nannte sie deshalb einen hoffnungslosen Fall und hatte ihr prophezeit, sie würde hier in ihrem Hexenhaus alt und einsam sterben. Doch das konnte sie nicht erschrecken.

Einsam zu sterben, war das nicht das Los vieler Menschen? Sie erinnerte sich noch gut daran, dass ihr Vater ganz allein im Krankenhaus gestorben war; man hatte die Familie erst am nächsten Tag von seinem „Ableben“(so sagte man es am Telefon) unterrichtet. Nicht jedem war es vergönnt, einen lieben Menschen auch beim Sterben an seiner Seite zu wissen. Diese Szenen, in denen der Sterbende sich von dem Kreis seiner Lieben verabschiedet und fast majestätisch ruhig in die andere Welt hinüber gleitet, sie waren lange schon Geschichte und bestenfalls noch in Filmen zu sehen. Die Wirklichkeit war anders, brutal!Im Augenblick des Todes war man allein.

Zu dieser Erkenntnis war sie gekommen, nachdem sie ihren Mann an jenem Morgen vor zehn Jahren tot neben sich im Bett vorgefunden hatte. Ein schöner Tod für Sven, wie die meisten behaupteten, die davon erfuhren. Sie hingegen war völlig fassungslos. Kein Abschied, kein Hinweis, der Tod hatte ihn einfach im wahrsten Sinn des Wortes von ihrer Seite weggerissen, Herzinfarkt! Und sie hatte nichts gespürt. Wie ein Blatt, das leicht und unbemerkt vom Baum fällt, war er einsam neben ihr gestorben. Am Abend zuvor hatten sie noch Urlaubspläne geschmiedet, als sei ihnen alle Zeit der Welt gegeben.

Wie erstaunt wir Menschen doch immer sind, wenn der Tod in unser Leben tritt, so als hätten wir das ewige Leben auf Erden gepachtet. Aber man muss ihn ja auch verdrängen, um genug Kraft für das Leben zu haben, das uns schon genug Zugeständnisse abverlangt.

Sie hatte nach Svens Tod, damit begonnen, bewusster zu leben. Das Lachen eines Kindes, eine Blume, ein Vogel, ein Wolkenbild am Himmel, die Natur, alles Leben hatte für sie an Bedeutung gewonnen. Obwohl als Malerin schon immer mit wachem Blick allem zugewandt, sah sie ihre Umgebung auf eine neue Weise. Sie fühlte sich mit allem verschwistert in der Vergänglichkeit, wollte den Augenblick der Schönheit des Lebens erkennen, erfühlen, festhalten, in Farbe auf die Leinwand bannen oder im Gedicht erklingen lassen. Poesie war ihr Schlüssel zum täglichen Paradies.Und dazu gehörte auch, dass sie dieses alte Haus und seine Geschichte bewahren musste. Gegen die Vergänglichkeit und das Vergessen angehen durch Malen und Schreiben. Sich nicht damit abfinden, dass der Tod das persönliche Leben und der Bagger dieses alte Haus wegräumte. Natürlich galt es auch, immer wieder dem neuen Leben Platz zu machen .Der Kreislauf des Lebens war ihr vertraut. Sie wusste, dass ihre Gene in ihren Kindern weiterlebten. Aber sie wollte, dass auch das Unteilbare, Eigenständige, Persönliche noch Raum hatte, Seele, Geist, wie auch immer man es nennen mochte. Hier in diesem Haus lebte ihre Tante weiter. Der Apfelbaum ,die Kräuterschnecke, alle Pflanzen des Gartens erinnerten an ihr Wirken.

Sie würde nun alles hegen, ihr eigenes Leben damit verknüpfen, in Bildern und Gedichten bewahren als einen Schatz ihres persönlichen Lebens.Und wer weiß, vielleicht würde ihn ja eines Tages eines der Enkelkinder heben und bergen.

Ingrid Drewing

Stanniolvögel

Sie saß nachdenklich am Tisch und faltete aus dem Schokoladenpapier Vögel, einen nach dem anderen; Stanniolvögel, die fliegenden Kranichen glichen.
Wegfliegen, alles hinter sich lassen! Aber wohin? Sie konnte sich nicht einfach  ziellos treiben lassen. Sie hatte auch an das Kind zu denken, das sie unter ihrem Herzen trug.
Was war das nur für eine Welt? Vor einer Woche war Kennedy ermordet worden.Was zählte ein Menschenleben noch? Wo blieben Menschlichkeit und Liebe? Warum war etwas so Wunderbares wie das Kind ihrer Liebe in ihrem Fall plötzlich etwas Anstößiges? Warum machte die Gesellschaft es einer werdenden Mutter so schwer,wenn sie unverheiratet war? Sie liebte ihn, aber er stand nicht zu ihr, obwohl sie seit fünf Jahren heimlich verlobt waren und sie seinen Ring trug. Standesunterschiede im zwanzigsten Jahrhundert, dass es das noch immer gab!
Sie hatte nun auch ihre Prioritäten gesetzt und sich von ihm getrennt. Eine Abtreibung kam für sie nicht in Frage. Das war für sie mehr als eine reine Glaubensfrage. Das rührte an ihre Existenz, an den Sinn des Lebens. Auch hätte sie damit noch nachträglich ihre Liebe negiert. Sie musste einen Ausweg finden. Sie würde ihr Studium aufgeben und eine Erwerbsarbeit aufnehmen, die sich mit ihrer Situation vereinbaren ließ. Sie hatte ja  schon heimlich in benachbarten Städten in einigen Kinderheimen vorgesprochen ,um zu erfahren, ob sie dort arbeiten und auch ihr Kind nach der Geburt mitbetreuen könnte. Noch fehlten Zusagen. Aber sie war sich auch nicht ganz sicher, ob sie sich endgültig für diesen Weg  entscheiden wollte.
„Sag’ mal, mein Vögelchen, warum willst du wegfliegen?“, hörte sie plötzlich ihre Patentante sagen, die sie offenbar schon eine Weile beobachtet hatte und einen der Stanniolvögel in die Höhe hielt. Sie schaute auf, als sei sie bei schlimmer Tat ertappt worden, und zwang sich zu einem Lächeln, obwohl von ihrer Tante nun wirklich nichts  zu befürchten war. Hatte sie doch in den 21 Jahren ihres Lebens nur Liebe und Güte von ihr erfahren. Aber gerade deshalb schämte sie sich davor, ihr und ihrer Mutter Schande zu machen, wie das im Allgemeinen so genannt wurde.
„Mein Liebes, ich weiß, was in dir vorgeht. Ich kann es an deinem Gesichtsausdruck erkennen. Als ich schwanger war, hatte ich auch diese großen Augen und eine fast anämische Blässe. Das haben wohl alle Frauen unserer Familie, wenn sie in Hoffnung sind.  Du weißt, dass du nicht allein bist. Wir sind immer für dich da.“, sagte ihre Tante liebevoll.
Wie gut das tat! Der Bann war gebrochen. Da war sie , die Brücke, über die sie in ihr vertrautes Leben zurückgehen konnte, gemeinsam mit ihrem Kind.

Sie legte die Stanniolvögel zur Seite, vertraute sich ihrer Tante an und wusste, nun würde alles gut werden.

Ingrid Herta Drewing

Mutter und Kind

In einem Tuch geborgen,

und dicht getragen an der Mutter Herz,

erlebt das Kind den Morgen,

noch fühlt es nicht des Lebens Sorgen, Schmerz.


Ihr Herzschlag lässt es schlafen lind,

vertraut, in Träume wiegt es zart ihr Gang,

und wenn sie stillt ihr hungrig Kind,

beruhigt sie es wehmütig mit Gesang.


So einer Mutter selbstlos reine Liebe

erwächst hell aus des Alltags Bild,

ein Paradies dem Kinde, wünscht’, es bliebe,

bewacht von einem Engel mild.

Ingrid Drewing

An Maria

Oh Maria, Mutter aller Mütter,
Gott gab dir und nahm dir deinen Sohn;
doch dein Glaube , auch im Leide unerschüttert,
sah ihn liebend auf dem Gottesthron.

Musstest ihn im Stalle einst gebären,
zwischen Eseln dort und Rind.
Wusstest schon, er würd‘ dir nie gehören,
sprach doch Engel Gabriel vom Gotteskind.

Josef aber stand dir treu zur Seite,
und die Könige aus fernem Land
kamen zu dem Kinde , sterngeleitet,
brachten Weihrauch, Myrrhe, Herrschers Unterpfand.

Konntest kaum wohl fassen , dass das kleine Wesen,
dir am Herzen wachsend, Weltenretter sei,
dass er die , die an ihn glauben , sollt‘ erlösen,
dass er trotze Tod und Teufel selbst dabei.

Später, als die Welt begann , dein Kind zu hassen,
qualvoll tötete, es schien von Gott verlassen,
da Maria, war’s dein stummer Schrei,
der für alle Mütter in der Welt erklungen,
denen man ein Kind entrissen hat.
Auch wenn Liebe dann den Tod bezwungen,
blicken doch die Augen tränenmatt ,
denn sein irdisch Leben ist vorbei.

Ingrid Drewing