Archive for Oktober 2010

 
 

Ballast

So vieles, was du angehäuft im Leben,
erweist sich später doch nur als Ballast,
den du dir selbst zu hüten aufgegeben,
dieweil der Hoffnung eigentliches Streben
nicht leuchten kann, erstickt, verblasst.

Unzählige Erinnerungen hängen
an jedem Ding und binden, wohl verborgen,
dich an Verlorenes, Gefühle, Zwänge,
entwickeln schleichend sich zur Enge,
beschäftigen dein mühevolles Sorgen.

Jedoch zum Atmen brauchst du freien Raum.
Der Blick nach vorn erfordert freie Sicht.
Die Zukunft soll dir malen deinen Traum,
im Wipfel wohnend dort im Lebensbaum,
du findest im Vergangenen sie nicht.

Wag neue Schritte, sei darin beständig!
Dies’ “Stirb und Werde“ macht dich erst lebendig.

Ingrid Herta Drewing

Begegnung

Ich hätte mir der Sonne Gold ins Haar geflochten.
Doch Nacht war, als dein lieber Mund
dem meinen zeigte, dass wir zwei uns mochten;
einander lieben war noch nicht die Stund.

Nur einmal durften wir uns so begegnen,
zwei Wanderer in Einsamkeit.
Wir wussten, Rosen würden uns nicht regnen,
noch trugen wir zu stolz das Dornenkleid.

Und dennoch fiel es schwer, als das Verlassen
uns zwang, getrennt den Weg zu gehen.
Ein letzter Blick, ein zärtliches Umfassen,
wir sollten uns nie wieder sehen.

Ingrid Herta Drewing

Nebelfee

Jetzt schlafen selbst die Träume,
ein stilles Lied der See;
wo jüngst noch Flammenbäume
im Herbst die Ufer säumten,
weilt nass die Nebelfee.

Durch ihre Schleierhüllen
dringt matt der Sonne Strahl.
Diffus mag sie erfüllen
hier einen warmen Willen
im Jahreszeiten-Tal.

Verstummt sind frohe Klänge,
und Sommers süße Geigen.
In diesen grauen Fängen,
der dichten Nebelenge
liegt nur noch müdes Schweigen.

Ingrid Herta Drewing

Spätherbstnähe

Nun wird der Nachtfrost bald die Blumen töten,
die in der Sonne Licht noch zart erblüht’,
auch wenn die Tage sich des Abends röten,
sind Sommer, Herbstes Feuer schon verglüht.

November wird das Sonnengold verschließen
und spinnt es in den Nebelweben ein.
Im Innenraum die Wärme wir genießen
und richten uns auf sanfte Stille ein.

Beschaulich möchte ich den Tag begehen,
wenn weithin Trübe herrscht und Regen fällt.
Darf ich dann liebe Menschen um mich sehen,
stört mich kein Nebeltag auf dieser Welt.

Erscheint uns vieles doch, wie wir ’s gestalten,
da mag auch tristes Wetter draußen walten.

Ingrid Herta Drewing

Herbst

Blauhimmel
Kein Wölkchen
Die Sonne strahlt,
küsst zärtlich die Welt.
Herbstgold

Herbstgerüche
Getrocknete Kräuter
duften im Wintergarten,
erzählen von glühenden Tagen
Sommererinnerung

Ingrid Herta Drewing

Obdachlos

Gestrandet im Meere des Lebens,
als Treibgut geworfen an Land,
das Schwimmen versucht, doch vergebens
gesucht nach der rettenden Hand.

Dort, wo du hofftest zu finden
Verständnis, Liebe und Glück,
hieß man dich nur, zu verschwinden,
verweigerte dir das Zurück.

Als Bettler sieht dich nun die Straße,
bist alt und das Gehen fällt schwer.
Zwar weht dir noch Wind um die Nase,
doch Einsamkeit läuft hinterher.

Du haderst mit Gott, weil dein Leben
so ungnädig, bitter verlief,
siehst auch keine Schutzengel schweben,
nur den Teufel, der stets nach dir rief.

Ein Teufel, ein armer, wie du
jetzt wahrlich auch selbst einer bist.
Du prostest ihm müd’ lächelnd zu,
weil Alkohol Tröster dir ist.

Doch erreicht dich die Heilsarmee
und schenkt dir Wärme und Raum,
die Suppe und heißen Kaffee,
einen kleinen menschlichen Traum.

Ingrid Herta Drewing

Flamenco

Was wir einander sind, das weiß die Liebe,
die zärtlich uns in ihren Armen hält,
ihr Lächeln schenkt, als ob ein Engel übe
ein Harfenlied, das Gott für uns bestellt.

Jedoch als dionysisches Verlangen
erwacht in uns Flamenco-Leidenschaft,
der Kastagnetten Rhythmen sind im Schwange,
verzaubert von Gitarren, Sängers Kraft.

Und wir verfolgen, finden uns im Tanz;
mein Blick gilt deinem, und vereint wir führen
die Suada unsrer Schritte, spür’n uns ganz,
bevor wir aneinander uns verlieren.

Um uns sodann in stillerem Erwachen
als Liebespaar ganz herzlich anzulachen.

Ingrid Herta Drewing

Efeublüte

Jetzt, spät im Jahr, der Efeu blüht,
ist der Insekten wahre Wonne,
die tausendfach hier sind bemüht,
zu nähren sich in Herbstessonne.

Da wuselt, schwirrt es, auch das Summen
der Bienchen lässt sich sehr gut hören,
die dort ganz fleißig mit den Hummeln
den letzten Honigtraum beschwören.

Wie gut ist alles eingerichtet,
die Blütenfolge der Natur!
Auch Schmetterlinge hier im Lichte
sind auf des Nektars süßer Spur.

Noch darf in diesen Abschiedstagen
das Leben sich im Glanze zeigen,
bevor des Spätherbsts Nebelklagen
dann lassen Tanz und Geigen schweigen.

Ingrid Herta Drewing

Abschied

Auf einen Sprung, nur eine Stippvisite,
wir hatten uns so lange nicht gesehen,
Doch treuer Liebe sehnsuchtsvolle Bitte
gewährte ein paar Wochen Glücksgeschehen.

Der Abschied schmeckte bitter, noch ein Wort,
ein letzter Kuss, du musstest zügig gehen.
Schon trugen dich Gedanken von mir fort,
jedoch dein Blick versprach das Wiedersehen.

Wir wissen ’s nicht; das Leben wird es weisen,
ob dein Beruf in jenem fernen Land
dich zwingt auch weiterhin zu langen Reisen.
Ich lege dies Geschick in Gottes Hand.

Er möge schützen dich, dein Leben hüten,
auf ihn vertraue ich und seine Güte.

Ingrid Herta Drewing

Herbstgeschenk

Sanft fliegen Fäden; die silbernen Weben
erstrahlen in weißhellem Mittagslicht.
Wie zart sie hier frei durch die Lüfte schweben,
von Ort zu Ort in ein anderes Leben,
wie lind und leicht ist ihr Spinnwebgewicht!

Der Himmel glänzt blau, kein Wölkchen zu sehen!
Heut’ schenkt uns der Herbst ein Spätsommerleben,
er lockt uns, hinaus ins Freie zu gehen.
Dem Reiz kann und will ich nicht widerstehen
und werde mich bald in den Park begeben

zu genießen die üppige Herbstespracht,
das Potpourri der leuchtenden Farben,
das hier zum Finale ein Feuer entfacht,
bevor der November mit nebliger Macht
uns nötigt, still im Grauen zu darben.

Ingrid Herta Drewing