Nachtigall

Wenn alle Stimmen sind verstummt,
nur leise murmelt noch der Bach,
kein Bienchen mehr in Blüten summt,
fließt sanft der Abend in die Nacht.

Dann lässt du frühlingshold erklingen
dein zärtlich’ Lied, lieb’ Nachtigall,
und wirst mein Winterherz bezwingen
mit deinem lieblich süßen Schall.

Er dringt mir tief dort in die Seele,
und weckt der Liebe stilles Weh,
laut pocht mein Herz, es schnürt die Kehle
dies Sehnen mir, ich träumend steh’.

Ach könntest wieder du begleiten
mit deinem Lied den lieben Blick,
die traute Liebe wie vor Zeiten!
Sing, Nachtigall, bring sie zurück!

Ingrid Herta Drewing

Frühlingslied

Noch immer sind es jene Sternenlieder,
die Dich entführen sanft in Harmonie.
Du hörst die Klänge und ersehnst dir wieder
dies’ Lächeln aus dem Land der Phantasie.

Seit Kindertagen wecken Frühlingsträume
in dir ein Sehnen, das nach Leben ruft,
und Schmetterlinge schwirren in den Räumen,
die als Refugium du eingestuft.

Dir wachsen Flügel, zärtliche Gedanken,
sie öffnen auch der Liebe weit das Tor;
und in den Gärten unter Blütenranken
lugt schalkhaft so ein kleiner Faun hervor.

Du hörst es wohl, der Flötentöne Klingen
und möchtest hoch dich in die Himmel schwingen.

Ingrid Herta Drewing

Abschied

Es griff die Nacht dir in dein goldnes Haar,
kein Silbermond ließ glänzend es erstrahlen,
und dein Gesicht so blass, wie ich ’s nie sah,
der Schmerz sich traurig in den Blicken malend.

Auch ich stand stumm, mir zitterte die Hand,
die ich dir reichte; meine Lippen bebten,
als sie dein Kuss noch einmal zärtlich fand,
und unser Atemhauch in Kälte schwebte.

Wir wussten nicht, ob wir uns wieder sehen,
gestohlen ward uns unsre beste Zeit.
Dann rief man dich, du musstest sehr schnell gehen,
und wir erahnten, dieser Weg führt weit.

Noch heute sehe ich im Traum oft dein Gesicht
und deinen Abschiedsblick, ein fernes Licht.

Ingrid Herta Drewing

Versöhnen

Hörst täglich die bösen Berichte,
doch heimlich, sehnsüchtig ranken
verspielt sich Träume, Gedanken,
entfalten dir zärtlich Gedichte.

Und wandeln auf heiligen Spuren
der Rose, in Schnee geschrieben;
ihr Flüstern sagt schlafenden Uhren,
es sei endlich Zeit, zu lieben.

Da rasseln die Wecker, ihr Dröhnen
wird liebliches Klingen, und bald
ertönt das Lied vom Versöhnen,
das lange im Herz widerhallt.

Ingrid Herta Drewing