Beim Betrachten des Apfelbaumes

Vereinzelt baumeln welke Blüten-Blätter
an kleinem Apfelrund, das wächst mit Macht,
dort wo noch unlängst hier bei Brautschau-Wetter
die Zweige zierte weiße, zarte Pracht.

So schnell verläuft dies‘ Blühen, Wachsen, Reifen
und auch Vergehen, eilt mit Jahres Zeit!
Es lehrt dich sehen, lässt dich wohl begreifen,
dass auch dein Leben findet dies‘ Geleit.

Ein stetes Wandeln zeigt sich da auf Erden.
Sogar den Stein erfasst’s, nicht nur das Leben.
Was heut‘ vergeht, weicht einem neuen Werden,
das zur Vollendung wiederum mag streben.

Und dennoch mischt sich Wehmut mir ins Bild,
wenn etwas Schönes endet, ist erfüllt.

© Ingrid Herta Drewing, 2016

Der Rheinkiesel

Es lag allein am Rhein
im Staub ein Kieselstein.
Ein Kind ihn freudig fand
am Ufer, hob die Hand,
warf ihn ins Wasser rein.

Und an der Eintauchstelle
sprang auf die kleine Welle.
Sie ging, in großen Kreisen
sich weitend, dann auf Reisen;
die Fahrt gewann an Schnelle.

Dabei trug sie ein Blatt,
das flugs der Wind dort hatt‘
zum Wasser hin geweht.
Als Boot es sich erfleht‘,
ein Käfer, der sehr matt.

Marienkäferlein
ruhte sich aus ganz fein.
Nach einer kleinen Pause
flog er erholt nach Hause
und ließ das Reisen sein.

Und unser Kieselstein?
Der war nicht mehr allein.
Im Flussbett mit den Seinen,
den vielen andren Steinen,
rollt weiter er im Rhein.

© Ingrid Herta Drewing,2014

Dank

Ich danke dir, Gott,
hast mir Leben gegeben,
dazu das Bewusstsein.
Ich bin nicht allein.
Im irdischen Streben,
im liebenden Schweben
fühl’ ich dieses Glück,
als Mensch hier zu sein.

Denn wär’ ich ein Stein,
ich hätte kein Herz,
empfände kein Sein
und auch keinen Schmerz.
Zwar würd’ ich steinalt,
doch ohne zu leben,
was sollt’ mir das geben?
Wär’ arg hart und kalt,
würd’, ohne zu zittern,
ganz langsam
verwittern.

© Ingrid Herta Drewing