Eulalia

Es saß auf einer alten Säule,
von wilder Macchie grün umrankt‘,
am Sommerabend eine Eule,
an Liebeskummer fast erkrankt.

Zum Himmel war ihr Blick gerichtet,
dort suchte sie nach ihrem Glück.
Man hatte ihr einmal berichtet
bei Vollmond kehre es zurück.

Im Silberglanz des Erdtrabanten
fände sich dann ihr Liebster ein.
So wie sie turtelnd sich einst fanden,
würd‘ er dann wieder bei ihr sein.

Obwohl die Weisheit der Athene
symbolisch Eulen angedichtet,
gibt ’s auch bei diesen Vögeln jene,
die von der Göttin nicht belichtet.

So war es wohl in dieser Szene.
Als Mondes Sichel kaum erstrahlt‘,
sagte Eulalia: „ Molto bene,
bald kommt er, das ist nicht geprahlt!“

Ihr Glaube wollt‘ nicht schwanken, wanken,
sie weilte viele Monde dort,
saß träumend nächtens, in Gedanken
flog weit sie mit dem Liebsten fort.

Ob er gekommen? Was geschehen?
Davon ist mir nun nichts bekannt.
Die Säule soll wohl noch dort stehen,
wo einst der Tempel sich befand.

© Foto und Text: Ingrid Herta Drewing

Der Rabe und die Eule

Ein Rabe, klug und welterfahren,
saß sinnend, still auf seinem Baum.
Er spürt‘ den Wind im Wipfel kaum
und dachte, ob in hohen Jahren
sich nun erfüllen sollt‘ sein Traum.

Ob es hier endlich Frieden gebe
und Handeln wäre gut bedacht,
der Mensch erkenne wahre Macht,
dass Liebe, die das Leben gebe,
dann schließlich siege Tag und Nacht?

Und während er so sann und dachte,
flog nebenan die Eule ein,
genoss als Spot des Mondes Schein.
Sie glaubte, Rabe sie verachte,
weil er so saß für sich, allein.

„Sag, Rabe, ist es dir bekannt –
ich hörte es auf meiner Reise –
dass mich die Menschen nennen weise?“,
so fragte sie ihn arrogant
und senkte ihre Stimme leise.

Der Rabe saß verwundert dort
und prüfte dieser Botschaft Sinn,
dann sprach er:“Eule, nimm es hin,
verhalte weise dich vor Ort,
dann ist das Wort wohl ein Gewinn!“

© Ingrid Herta Drewing,2016

Abend am Fluss

Der Abend gleitet auf den Wellen,
erglühend, sanft die Sonne sinkt,
und Himmelsfeuer lodernd schwellen
hier, wo der Fluss stürzt in die Schnellen,
in tosend, weißem Rausch ertrinkt.

Du hast dein Boot an Land gezogen,
baust auf dein Zelt, bald wird es Nacht.
Die Vögel sind zum Nest geflogen;
es dämmert, flatternd zieht im Bogen
die Fledermaus zur Mückenjagd.

Die Eule ruft von fern Schuhu
und nebelfeucht die Wiesen rauchen.
Du ziehst den Reißverschluss nun zu,
wirst für die Nacht und deine Ruh’
schnell in den warmen Schlafsack krauchen.

Ingrid Herta Drewing