Klage einer Mutter

Zur Erinnerung an die Todesopfer an der Berliner Mauer
Peter Fechter, achtzehn Jahre alt, wurde im August 1962
beim Fluchtversuch über die Mauer in Berlin-Mitte, Zimmerstraße,
in der Nähe des Checkpoint Charlie von DDR-Grenzern
angeschossen und verblutete auf dem Todesstreifen vor den
Augen vieler Menschen.

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen mir das Weiß der Trauer,
und selbst die Schwäne auf dem See
erinnern mich an jene Mauer,
die tausend Tode für ihn barg.

Die Hoffnung, Freiheit zu gewinnen,
verlockte ihn zu seiner Flucht.
Er war so jung und wollt’ entrinnen
aus jenes engen Zwanges Schlucht,
um neu sein Leben zu beginnen.

Mein müdes Herz, erstarrt im Weh;
noch hör’ ich die geliebte Stimme:
„Wir sehn uns wieder, tschüss, ich geh’,
denk du nur nicht an alles Schlimme,
es wird nicht kommen gar so arg!“

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen nur das Weiß der Trauer,
es singen Schwäne auf dem See
das Lied von jener Todesmauer,
dort wo mit ihm mein Leben starb.

© Ingrid Herta Drewing

Klage einer Mutter

Zur Erinnerung an die Todesopfer an der Berliner Mauer

Peter Fechter, achtzehn Jahre alt, wurde im August 1962
beim Fluchtversuch über die Mauer in Berlin-Mitte, Zimmerstraße,
in der Nähe des Checkpoint Charlie von DDR-Grenzern
angeschossen und verblutete auf dem Todesstreifen vor den
Augen vieler Menschen.

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen mir das Weiß der Trauer,
und selbst die Schwäne auf dem See
erinnern mich an jene Mauer,
die tausend Tode für ihn barg.

Die Hoffnung, Freiheit zu gewinnen,
verlockte ihn zu seiner Flucht.
Er war so jung und wollt’ entrinnen
aus jenes engen Zwanges Schlucht,
um neu sein Leben zu beginnen.

Mein müdes Herz, erstarrt im Weh;
noch hör’ ich die geliebte Stimme:
„Wir sehn uns wieder, tschüss, ich geh’,
denk du nur nicht an alles Schlimme,
es wird nicht kommen gar so arg!“

Nimm hin die Blüten und den Schnee!
Sie zeigen nur das Weiß der Trauer,
es singen Schwäne auf dem See
das Lied von jener Todesmauer,
dort wo mit ihm mein Leben starb.

© Ingrid Herta Drewing

Semiramis

(Leider noch immer aktuell)

Semiramis,
es liegt dein Traum
in Ninive zerschlagen.
Die Blüten deiner Gärten,
einst Babyloniens Klang verwebend,
sie haben jenen toten Hauch
der Zeit erfahren.

Auf deinem Thron der Pracht
nun wüten Kerkermeister.
Nur euer Volk
– in Glut und Staub –
erträgt das alte Weh.
Ja, weine stolze Königin
um Ninive.

© Ingrid Herta Seibel, Wiesbaden,1961

Kleines Drama

Zartblauer Himmel,
kein Kondenzstreifenmuster
fasst seine Weite.

Der Wanderfalke,
der dort hoch im Aufwind schwebt,
blickt auf die Erde.
Anmutig seine Kreise,
bis zum Sturzflug auf Beute.

Die weiße Taube,
in der Sonne auf dem Dach,
flüchtet flugs, sucht Schutz.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Erkenntnis

Ich weiß nicht, ob es Liebe war,
was mir im Herzen schwebte.
Ich fühlte nur, wie wunderbar
es mich erfasst’, belebte.

Geschenkt ward mir ein  neuer Blick,
ließ vieles mich verstehen,
und was ich sonst stolz wies zurück,
das durfte nun geschehen.

Die Blütenträume wurden wahr,
es duftete im Garten.
Die Welt, sie schien so hell und klar
im Sonnenschein zu warten.

Der Sommer brachte Wärme, Frucht,
doch abends lange Schatten.
Es sprach die Zeit von Furcht und Flucht,
und Leid ließ mich ermatten.

Dann war es wohl der Schwalben Sinn,
nach Süden wegzuzieh’n.
Es kam der Herbst, es welkte hin
die Hoffnung mit dem Grün.

Ich weiß nicht, ob es Liebe war,
was mir im Herzen schwebte.
Jedoch ist mir nun offenbar,
dass ich da wirklich lebte.

© Ingrid Herta Drewing