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Als flögen schön geordnet dort im Bogen
des Löwenzahnes Früchte himmelwärts,
bedacht von ihren Schirmchen, wohl gewogen,
einst golden aufgeblüht in Mai und März,
sie hier nun weit in fernes Leben zogen.

Jedoch erkennt’s als Täuschung bald mein Blick:
Des Riesenrades Gondeln, die dort strahlen,
im Kreis sich drehen, fahren hoch, zurück,
sich leuchtend in den Abendhimmel malen,
im Dunkel schenken da ein kleines Glück.

So ist’s mit vielem, was man glaubt zu sehen,
im ersten Augenblick für richtig hält;
bei näherem Betrachten neues Gehen
genauer orten lässt in unsrer Welt,
für wahr uns zeigt ein tieferes Verstehen.

© Foto u.Text / Ingrid Herta Drewing,2017

Ermunterung

Schon mancher, der sich aufgeschwungen
und auch die Höhe hat erreicht,
erkennt, dass man hier hat gedungen
den Dämon, und er leicht erbleicht.

Nicht alles, was in Höhen schaukelt,
hält schließlich auch, was es verspricht.
Oft wird dir hier nur vorgegaukelt,
es stehe dort im rechten Licht.

Darum lass dich davon nicht täuschen;
nicht jedes Lied klingt wirklich gut.
Oft sind es nur banal Geräusche.
Sing ruhig dein Lied, behalt’ den Mut!

© Ingrid Herta Drewing,2016

Jagdgenossen

Wolf Graubart und Freund Lukas Luchs
sich trafen unlängst früh im Wald,
um ihre Jagd dort auszuhecken,
denn Winter war’s und bitterkalt.

Zu beiden alten Einzelgängern
gesellte sich noch Reini Fuchs,
ein listig‘ schlauer Kampfes-Recke,
obwohl er doch von kleinem Wuchs.

Die Drei, fern der Familie, Meute,
von Hunger, Kälte arg geplagt,
sie wussten, dass sich leichte Beute
den alten Tieren oft versagt.

So waren Wolf und Luchs auch froh,
als Fuchs erklärte seinen Plan,
den Hühnerstall zu stürmen, wo
sie jüngst die fetten Hennen sah’n.

Das Wasser lief ihm schon im Munde,
„ Kommt, auf zur Jagd!“,sprach Wolf sodann.
„ Es gibt da ein Problem, zwei Hunde,
bewachen sie.“,merkt‘ Luchs da an.

„ Ach, Luki, wer wird denn verzagen,
mein Plan recht ausgeklügelt ist!
Ihr lasst euch von den Hunden jagen,
derweil ich kriech durch’s Holzgerüst.

Und während ihr die Hunde lockt
weit weg vom Stall mit eurer Spur,
hab‘ ich die Hühner schnell gezockt,
die ich euch präsentiere pur.“

Gesagt, getan, es wollt‘ gelingen,
was Reinecke sich ausgedacht.
Doch konnt‘ er nur ein Huhn bezwingen,
der Bauer war erwacht vom Krach.

Er schoss auch gleich mit seiner Flinte.
Jedoch Fuchs mit der Beute floh,
die er für sich behielt; die Finte
machte die andern wohl nicht froh.

Nachdem er satt in seinem Bau
geschlafen und verbracht paar Tage,
besann er sich, was er genau
dem Luchs und Wolf nun werde sagen.

Mit leidender verstellter Miene
schlich hinkend er auf beide zu,
klagt‘ ächzend, wie es ihm jetzt schiene,
lass‘ ihm die Narbe keine Ruh‘.

Ein übler Streifschuss sei’s gewesen,
der Bauer habe abgedrückt,
nur langsam wollt‘ die Wund‘ genesen,
kein Beutefang sei ihm geglückt.

„ Mich quält der Hunger, nichts zu fressen,
ist mir in dieser Zeit geblieben.
Habt ihr vielleicht etwas zu essen
für euren kranken Freund, ihr Lieben?“

„Zwei leckre Mäuse, frisch gefangen,
wir geben dir von unsrem Mahl.
Du lässt uns demnächst was erlangen,
und teilst, was man gemeinsam stahl.“

„Ja, freilich doch, bei meiner Ehre!“,
schwor Reinecke dem Wolf und Luchs.
Jedoch für uns ist’s eine Lehre:
Sei auf der Hut vor List und Fuchs!

© Ingrid Herta Drewing,2016

Weiße Wolke

Und eine weiße Wolke schwebt
im Blau des Himmels leicht dahin.
Sie zeigt vom Winde sich belebt
und wandelt sich im Formensinn.

Ein Düsenjet zieht seinen Streifen
und fädelt sie als Perle auf,
scheint mit ihr durch das Blau zu schweifen.
Doch kurz nur ist der kühne Lauf.

Die Wolke gleitet einsam weiter,
denn dies‘ Kondenzband hielt nicht fest.
Es bleibt der treue Wind Begleiter,
der frei sie vor sich ziehen lässt.

© Ingrid Herta Drewing

Mond am Band

Da fliegt ein Jet kühn durch den Tagesmond
und bindet ihn an einen weißen Streifen.
Das Bild, das sich mir zeigt, recht ungewohnt,
ich mag es hier so visuell begreifen.

Jedoch sehr bald sind beide schon getrennt,
und das Kondenz – Band löst sich gänzlich auf.
Was mir mein Auge als verbunden nennt,
fand dennoch nie gemeinsam seinen Lauf.

So täuscht oft vieles unsren Erdenblick.
Es lohnt sich immer lange hinzusehen,
bevor wir schnell besiegeln ein Geschick
und leichtfertig gar in die Irre gehen.

Denn manches ist nicht so, wie es uns scheint;
was außen lacht, vielleicht im Innern weint.

Ingrid Herta Drewing