Alter Baum

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Das Jahr geht gar zu schnell zur Neige;
schon steht November nebelmüde da.
Die letzten Blätter klammern sich an ihre Zweige
und zittern fröstelnd, wenn der Raureif nah.

Es fällt so schwer, den Sommer loszulassen,
die Winde rütteln rau den alten Baum
und rauben ihm an Tagen, regennassen ,
das feuchte Kleid, er wehrt sich kaum .

Sodann der Nebelkrähen große Scharen
bevölkern sein geplündertes Geäst.
Er zeigt sich raugereift mit grauen Haaren,
erduldet noch der Vögel lautes Fest.

Es währt nur kurze Zeit, sie ziehen
hin zu den Feldern an den nahen See.
Den alten Baum erfreut ihr flatternd Fliehen;
geduldig wartet er auf ersten Schnee.

Bald im Dezember bringt ein sanfter Morgen
den weißen Schneepelz, und zur Nacht
fühlt sich der alte Baum in ihm geborgen,
gehüllt in weiche Glitzerpracht .

Nun ruht auch er und mag wohl träumen
vom Leben nach der stillen Zeit,
wenn ihm im lichten Frühlingsschäumen
neu wächst ein zartes, grünes Kleid.

© Ingrid Herta Drewing,

Lindenblüten

Lindenblüten_o

Frühsommer, golden Linden blühen,
entfalten ihren Duft, den süßen,
der hier mag durch Alleen ziehen,
und Immen summen, ihn begrüßen.

Wär gern mal solch beflügelt‘ Wesen,
auch mich zieht’s nasenselig hin,
betört mir honighold den Sinn,
was dort so lieblich auserlesen.

Tief in den Kelch der Blüte kriechen,
erquicken mich am milden Hauch
zwar sammelte ich Pollen auch,
jedoch beglückte mich das Riechen.

Bin keine Biene; fern den Drohnen
verweil ich schnuppernd unterm Baum,
verrückt war er, der kurze Traum,
darf doch auch so in Düften wohnen!

© Foto u. Ingrid Herta Drewing,2017

Winterabgesang

Der Winter trägt nicht mehr sein weißes Kleid,
das regengraue kleidet ihn nun schlicht.
Bis er hier tat Genüge seiner Pflicht,
herrscht er noch müde für geraume Zeit.

Es scheint nur so, als träume noch die Erde,
als schliefen tief hier Wiese, Busch und Baum.
Doch insgeheim wächst knospend neues Werden,
um aufzublühen bald im hellen Raum.

Des Frühlings erste Boten dort im Garten,
Schneeglöckchen und die gelben Winterlinge,
auch Finken, Amseln sind schon guter Dinge
und können seine Ankunft kaum erwarten.

© Ingrid Herta Drewing

Frühsommerlich

Ein Flüstern in den Wäldern;
das Bächlein plätschert sacht.
Es blühen blau die Felder,
Lavendelduft in Pracht.

Und wispernd in den Wiesen
flirrt zart der Sommerwind,
der rote Mohn mag grüßen
das schön bekränzte Kind.

Es tanzt dort, selig träumend,
und singt sein helles Lied.
Im Schatten alter Bäume
sitz’ ich, froh mein Gemüt.

Und fühle mich geborgen
in diesem Sommerglück.
Ich frage nicht nach Morgen,
verwehr’ der Zeit den Blick.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Linde Erinnerung

Im Schatten der großen Linde,
dort auf der Bank unterm Baum,
spielt‘ ich als Kind; milde Winde
mischten den Duft so gelinde,
erblühend ein Sommertagstraum.

Hier ließ auch Liebe uns kosen,
noch wächst das Herz mit der Rinde.
Jung waren wir, glücklich; Rosen
sollten erglühen, kein Losen
führen in Dornengebinde.

Der Jugend Liebe verloren,
gemausert aus Frühlings Flaum.
Die Linde, die wir erkoren,
sie grünt noch,wie neu geboren,
verliert ihr Leuchten wohl kaum.

© Ingrid Herta Drewing

Amselgesang

Wie reich entfaltet sie das Repertoire,
die Amsel, die dort singt auf ihrem Baum.
Ich fühle mich als Gast, bin ihr hier nah’;
darf lauschen, wie sie flötet, Frühlingstraum.

Was wäre diese Zeit mir ohne sie,
die Diva, die in Blühkulissen wirkt,
so zauberhaft und melodiös verbürgt
des Lebens helle Frühlingsharmonie.

Zwar wäre es ein blütenschöner Garten,
doch ohne diesen zarten, süßen Klang,
da fehlte mir Musik, Sehnsuchtserwarten,
es lebt der Lenz auch auf im Vogelsang.

© Ingrid Herta Drewing

Der Rosenbaum

Ein Eichenbaum im Park, der Blätter bar,
um dessen knorrig, grün bemooste Zweige
sich rosa Rosen ranken, wunderbar,
gleich einer tanzend’, zarten Elfenschar,
in abertausend Blüten aufwärts steigend.

Von Liebenden gepflanzt vor vielen Jahren,
als Sinnbild ihrer Treue hier bestehend,
die Eiche und die Rose, die dem Paare
die Kraft des Lebens, Liebe offenbare,
gemeinsam Glück in Harmonie zu sehen.

Wären nicht Baum und Rosenstock geblieben,
das Liebespaar, verstorben, wär’ vergessen.
Jedoch die Poesie, die sie geschrieben,
zeigt hier Natur als ihre schöne Liebe;
und wer dies’ darf erschauen, wird ’s ermessen.

© Ingrid Herta Drewing