Julimorgen

Des Sommers Boten,
die Mauersegler schwirren
durch die Häuserschlucht.

Jäger auf Insektenfang,
ihr lautes Rufen hallt nach.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2018

Das sprintende Wildschwein

In Biebrich stand ein wildes Schwein
am Ufer ganz allein am Rhein
und fragte laut : „Wie kann das sein,
dass hier nur Wasser ist, kein Wald,
nur Plätschern, Fließen und kein Halt?
Wie soll ich mich denn hier ernähren,
wo find ich Eicheln zum Verzehren?
Es gibt ja hier nur Kieselsteine,
mal größere und manchmal kleine.
An mich hat keiner wohl gedacht,
als er die Flusslandschaft gemacht!“

Da legte an, wie’s sich so trifft
ein großes, weißes Motorschiff,
das brachte viele Leut an Land,
die fanden es höchst int’ressant,
dass dort am Fluss,wie konnt’das sein,
stand grunzend dieses wilde Schwein.
Doch manche ängtlich da vor Ort,
die riefen laut: „Das Schwein muss fort!“

Und schon begann das wilde Jagen,
dem Eber fehlte Zeit zum Klagen.
Er setzte hurtig in Erregung
zum Rückzug an, nun in Bewegung,
und sprintete wie Bold so stark
dort hinters Schloss in Biebrichs Park.
Da fand er dann auch Eichenbäume
und deren Früchte, wahre Träume.
So war es ihm doch noch beschieden
dies Plätzchen, das gewährt ihm Frieden.

Ja mancher, der nur grunzt und klagt,
entdeckt, wenn man ihn scheucht und jagt,
dass das, was er oft übersah,
sein Glück ist, liegt zum Greifen nah‘.

© Ingrid Herta Drewing

Jagdbeute

Himmel, himbeerrot
der Sonnengruß im Osten,
Hochsommer-Morgen.

Der Füchsin Schnüren
im tau-feuchten Lichtungsgras
am Rand des Waldes.

Dort huscht aus dem Bau
ahnungslos die Rötelmaus
auf Futtersuche.

Der Füchsin Beute.
Auf dem Hochsitz der Jäger
entsichert’s Gewehr.

© Ingrid Herta Drewing,2015

Quo vadis?

Wir sind doch noch Schamanen,
beschwören Tier und Beute,
tanzen für Land und Leute,
wie einstmals unsre Ahnen.

Wir sind noch immer Blinde
im Hirn und auch im Herz,
verfallen dem Kommerz
und Marketing-Gebinde.

Noch immer Brot und Spiele,
Marktschreier im Gewühle,
und alles lacht.

Ob wir den Weg noch sehen,
ob wir den Weg dann gehen
aus dieser Nacht?

© Ingrid Herta Drewing,2008

Abendstimmung

Der Abend naht, und lange Schatten greifen
dorthin, wo ’s vormals hell und leuchtend war.
Der Himmel färbt sich, rote Flammen streifen
die kleinen Wölkchen, die der Sonne nah.

Und leise in der Ferne Glocken läuten;
sanft klingt ein Frühlings-Sonnentag hier aus.
Es ist, als sollten sie uns so bedeuten:
Lass ruhn die Arbeit, wende dich nach Haus!

Der Amsel Abendständchen will verstummen,
es zieht die Vögel nun zur Nacht ins Nest,
und dort, wo sonst die Bienen emsig summen,
da schließen Blumen ihre Blüten fest.

Jedoch zum Beutezug sind jetzt erwacht
die Nachtaktiven, jagen mit Bedacht.

© Ingrid Herta Drewing,2014